Rz. 38

§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB verlangt von den gesetzlichen Vertretern lediglich die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts. Die sich auf den Jahresabschluss beziehende Unterzeichnungspflicht (§ 245 HGB), die gesamten Prüfungspflichten von Abschlussprüfer (§ 316 HGB) und Aufsichtsrat (§ 170 Abs. 1 AktG, § 42a Abs. 1 GmbHG, § 25 Abs. 1 MitbestG, § 3 Montan-MitbestG, § 1 Abs. 1 DrittelbG) sowie die sich besonders auf den Jahresabschluss beziehenden Feststellungspflichten (§§ 172 und 173 AktG, § 47 Abs. 5 SEAG, §§ 42a Abs. 1 und 46 Nr. 1 GmbHG) gehören nicht zu den hier geregelten Sachverhalten. Bei der Aufstellung handelt es sich um die verantwortliche Erstellung der Unterlagen des Jahresabschlusses und des Lageberichts bis zur Beschlussreife. Dabei ist zu beachten, dass Aufstellung und Erstellung keine synonymen Begriffe sind. Aufstellung kann einzig durch die gesetzlichen Vertreter vorgenommen werden, erstellen kann (fast) jeder.

 
Praxis-Beispiel

Der Steuerberater erstellt den Jahresabschluss für den Mandanten. Das Aufstellen erfolgt gleichwohl durch den Mandanten. Mit dem Begriff der Aufstellung ist die Übernahme der vollen Verantwortung verbunden.

 

Rz. 39

Im Interesse der Determination des Zeitpunkts der Beendigung der Aufstellung der Informationsinstrumente für die Abschlussadressaten hat eine datierte Unterzeichnung zu erfolgen (§ 245 HGB), wobei nicht erheblich ist, dass das Unterzeichnungsdatum auf das Datum der Unterzeichnung des Jahresabschlusses fällt (§ 245 Rz 14). Ausgangspunkt sind primär die Daten der Buchhaltung, aus denen ein Abschluss zu generieren ist. Darüber hinaus müssen für die Lageberichterstattung weitere Daten erhoben und zukunftsorientierte Einschätzungen getroffen werden.

 

Rz. 40

Obwohl die Erstellung i. W. im Rechnungswesen erfolgt, ist die Aufstellung – wie die Unterzeichnung – als kollektive Pflicht aller gesetzlichen Vertreter ausgestaltet. Als gesetzliche Vertreter gelten bei KapG die folgenden Personen:

 
AG Mitglieder des Vorstands (§ 78 Abs. 1 AktG)
SE

bei dualistischem System: Mitglieder des Vorstands (Art. 9 Abs. 1b SE-VO) oder

bei monoistischem System: geschäftsführende Direktoren (§§ 41 Abs. 1 und 47 Abs. 1 SEAG)
KGaA Persönlich haftende Gesellschafter (§ 283 Nr. 9 AktG, §§ 125 und 161 Abs. 2 HGB)
GmbH Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG)
Bei Abwicklung/Liquidation Abwickler/Liquidatoren (§§ 269, 270 AktG bzw. §§ 70, 71 GmbHG)
Bei Insolvenz Insolvenzverwalter (§ 155 Abs. 1 InsO) bzw. bei Eigenverwaltung der Schuldner und der Sachwalter (§ 270 Abs. 1 InsO)

Tab. 1: Gesetzliche Vertreter von Kapitalgesellschaften

 

Rz. 41

Auch wenn die gemeinsame Pflicht nicht durch Satzung oder Gesellschaftsvertrag verändert werden kann,[1] handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Pflicht. Daher kann die Aufgabe der Erstellung innerhalb des Führungsgremiums an weitere unternehmensinterne oder -externe Personen delegiert werden.[2] In diesem Fall wandelt sich die Erstellungs- in eine Überwachungspflicht, es bleibt aber bei der grds. Aufstellungspflicht. Bzgl. des Inhalts müssen die gesetzlichen Vertreter, soweit Satzung, Gesellschaftervertrag oder Geschäftsordnung nichts Abweichendes regeln, einstimmig entscheiden.[3] Bei der Delegation an eine externe Person sind die Regelungen zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu beachten, da eine gleichzeitige Mitwirkung an der Aufstellung und Prüfung nach § 319 Abs. 3 Nr. 3 HGB in aller Regel ausgeschlossen ist (§ 319 Rz 49 ff.).

 

Rz. 42

Die Aufstellung als Aufgabe der gesetzlichen Vertreter ist beendet, wenn Jahresabschluss und Lagebericht nach Einschätzung dieser den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und an die nächste Institution auf dem Weg zur Offenlegung weitergereicht werden. Diese Institutionen sind bei prüfungspflichtigen Unt der Abschlussprüfer, bei anderen KapG der Aufsichtsrat (§ 170 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder die Gesellschafter (§ 42a Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Da i. R. d. Prüfung oder durch neue Erkenntnisse Änderungsbedarf entstehen kann, sind der aufgestellte Jahresabschluss und Lagebericht nicht endgültig, sondern können noch verändert werden.[4] Diese Veränderungen gelten aber nicht mehr als Aufstellung. Für den Arbeitsprozess wird es daher als überaus sinnvoll erachtet, schon vor oder während der Aufstellung problematische Sachverhalte mit den prüfenden Institutionen zu klären, wobei immer die Problematik einer möglichen Vermengung von Aufstellung und Prüfung zu beachten ist.[5]

[1] Vgl. Reiner, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 264 HGB Rn 19.
[2] Vgl. Hopt, HGB, 41. Aufl. 2022, § 264 Rn 8.
[3] Vgl. Störk/Rimmelspacher, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 264 HGB Rz 12.
[4] Vgl. Reiner, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 264 HGB Rn 22; Störk/Rimmelspacher, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 264 HGB Rz 19.
[5] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 264 HGB Rz 32; Reiner, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 264 HGB Rn 22.

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