Rz. 22

Das Prüfungsrecht wird durch Abs. 2 Satz 1 ergänzt, mit dem die gesetzlichen Vertreter zur aktiven Unterstützung des Abschlussprüfers verpflichtet werden. Unter Aufklärungen sind insb. Auskünfte, Erklärungen und Begründungen zu verstehen.[1] Auch wenn das Gesetz nur von den gesetzlichen Vertretern spricht, fallen hierunter nach h. M. auch die von diesen beauftragten Mitarbeiter oder sonstigen Auskunftspersonen (z. B. StB der Ges.).[2] Nachweise sind alle für die verlangten Aufklärungen erheblichen Unterlagen, d. h. i. d. R. schriftliche Unterlagen. Die Beschaffung von Unterlagen von Dritten, wie z. B. Grundbuch- oder Handelsregisterauszüge, zählt ebenfalls hierzu.

 

Rz. 23

Abs. 2 Satz 2 stellt klar, dass die Auskunftsrechte des Abschlussprüfers auch schon vor der (endgültigen) Aufstellung des Jahresabschlusses bestehen. Die Vorschrift ermöglicht es ihm, ab dem Zeitpunkt der Bestellung (§ 318 Rz 8) erforderliche Prüfungshandlungen durchzuführen. In der Praxis hat diese Regelung große Bedeutung, da eine Reihe von Prüfungshandlungen aus Gründen der zeitlichen Entzerrung des zumeist engen Terminplans einer Abschlussprüfung zeitlich vorgelagert wird. In Vorprüfungen oder Zwischenprüfungen werden regelmäßig folgende Prüfungshandlungen durchgeführt:

  • Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung (inkl. Aufbauprüfung des rechnungslegungsbezogenen IKS),
  • Prüfung der Wirksamkeit des rechnungslegungsbezogenen IKS (Funktionsprüfung) und abschließende Beurteilung der Fehlerrisiken,
  • Prüfung organisatorischer Umstellungen (z. B. Wechsel des IT-Systems),
  • Prüfung der Vorratsinventur (Inventurbeobachtung),[3]
  • Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB.
 

Rz. 24

Oftmals stellen Auskünfte oder Erklärungen der gesetzlichen Vertreter einen wichtigen Prüfungsnachweis zur Erlangung hinreichender Prüfungssicherheit dar.[4] Für den Abschlussprüfer bedeutsame Erklärungen der gesetzlichen Vertreter hat der Abschlussprüfer nicht nur mündlich (z. B. im Rahmen der Schlussbesprechung), sondern auch schriftlich einzuholen. In der Praxis erfolgt dies zumeist durch die Vollständigkeitserklärung der gesetzlichen Vertreter, mittels derer sich der Abschlussprüfer zum Abschluss der Abschlussprüfung die Vollständigkeit der erteilten Erklärungen und Nachweise durch die gesetzlichen Vertreter der geprüften Ges. bestätigen lässt.[5] Ob aus § 320 HGB eine Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung abgeleitet werden kann, kann dahingestellt bleiben, da regelmäßig die zu prüfende Ges. über die im Auftragsschreiben des Abschlussprüfers vereinbarten AAB die Abgabe einer Vollständigkeitserklärung vertraglich vereinbart hat.

In der Praxis werden regelmäßig vom Berufsstand entwickelte standardisierte Formulare verwendet, die für verschiedene Arten von Abschlussprüfungen vorliegen und mit optionalen Modulen kombinierbar sind.[6] In diesen Vollständigkeitserklärungen wird nicht nur die Vollständigkeit der erteilten Erklärungen und Nachweise bestätigt, sondern sind darüber hinaus vom Abschlussprüfer einzuholende schriftliche Auskünfte bzw. Erklärungen der gesetzlichen Vertreter vorgesehen. Dies betrifft z. B.:

  • besondere Umstände, die der Fortführung der Ges. (Going-concern-Prämisse) entgegenstehen können,[7]
  • Besicherung von Verbindlichkeiten und eingegangene Haftungsverhältnisse,
  • für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Ges. bedeutsame Verträge oder Rechtsstreitigkeiten,
  • Störungen oder wesentliche Mängel im IKS,[8]
  • Täuschungen, Vermögensschädigungen oder sonstige Gesetzesverstöße, die Bedeutung für den Inhalt des Jahresabschlusses oder des Lageberichts oder auf die Darstellung des sich nach § 264 Abs. 2 HGB ergebenden Bilds der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben können,[9]
  • wesentliche Chancen und Risiken, auf die im Lagebericht einzugehen ist,[10] und Ereignisse nach dem Abschlussstichtag,[11]
  • Aussagen über die zur Bestimmung von Zeitwerten bedeutenden Annahmen und Absichten,[12]
  • Erklärungen zur Einrichtung und Dokumentation eines Risikofrüherkennungssystems gem. § 317 Abs. 4 HGB.[13]
 

Rz. 25

Die Vollständigkeitserklärung ist von denjenigen gesetzlichen Vertretern einzuholen, welche für die Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht verantwortlich sind (z. B. CFO, kaufmännischer Geschäftsführer) und die über die Kenntnisse der entsprechenden Sachverhalte verfügen.[14] Soweit der für die Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht verantwortliche gesetzliche Vertreter nicht einzelvertretungsberechtigt ist, ist die Erklärung in vertretungsberechtigter Zahl von den gesetzlichen Vertretern zu unterschreiben. Es gibt kein Erfordernis, dass alle gesetzlichen Vertreter die Vollständigkeitserklärung zu unterschreiben haben; gleichwohl ist dieses vielfach üblich.

 

Rz. 26

Die Vollständigkeitserklärung kann kein Ersatz für solche Prüfungsnachweise sein, von deren Verfügbarkeit der Abschlussprüfer normalerweise ausgehen kann.[15]

 
Praxis-Beispiel

Zum Nachweis der zutreffenden Umsatzrealisierung von ...

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