Rz. 14

Die Vorschrift gibt dem Abschlussprüfer das Recht zur Prüfung der Bücher und Schriften der zu prüfenden Ges. sowie der VG und Schulden. Da § 317 Abs. 1 HGB den Abschlussprüfer verpflichtet, den Jahresabschluss nicht nur auf formale, sondern auch auf materielle Richtigkeit zu prüfen (§ 317 Rz 28), müssen ihm neben den prüfungspflichtigen Unterlagen selbst (Jahresabschluss und Lagebericht) auch die diesen zugrunde liegenden Aufzeichnungen zugänglich sein.

 

Rz. 15

Abs. 1 Satz 2 ist umfassend auszulegen. Der Abschlussprüfer kann Zugang zu sämtlichen Unterlagen der zu prüfenden Ges. verlangen; die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von VG ist als beispielhaft zu verstehen.[1] Da der Abschlussprüfer eine Prüfung durchführt, gewährt ihm das Prüfungsrecht die Durchführung aller dafür von ihm als notwendig erachteten Prüfungshandlungen, z. B.[2]

  • Einsichtnahme,[3]
  • Inaugenscheinnahme (z. B. Zutritt zu den Geschäftsräumen des zu prüfenden Unt, Inaugenscheinnahme von durchgeführten Investitionen in das Sachanlagevermögen),[4]
  • Beobachtung (z. B. der Vorratsinventur),[5]
  • Berechnung,[6]
  • Nachvollziehen.[7]
 

Rz. 16

Welche Aufzeichnungen für die Prüfung des Jahresabschlusses und Lagebericht vorgelegt werden müssen bzw. sollen, liegt im Ermessen des Abschlussprüfers, nicht etwa der gesetzlichen Vertreter der zu prüfenden Ges.

 
Praxis-Beispiel

Der Abschlussprüfer der prüfungspflichtigen GmbH fordert Einblick in die Reisekostenabrechnungen des Geschäftsführers. Der kaufmännische Leiter möchte die Reisekostenabrechnungen nicht vorlegen, da sie nach seiner Ansicht nicht wesentlich für die Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts sind.

Es liegt ein Verstoß gegen das Prüfungsrecht nach § 320 Abs. 1 Satz 2 HGB vor. Der Abschlussprüfer kann von dem Geschäftsführer die Vorlage der Reisekostenabrechnungen fordern. Kommt der Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, liegt ein Prüfungshemmnis vor, das ggf. Auswirkungen auf den Bestätigungsvermerk haben kann.

 

Rz. 17

Der im Gesetzestext angeführte Begriff Bücher umfasst neben dem Grund- und Hauptbuch auch sämtliche Nebenbücher der Buchführung, also z. B. auch die Betriebsbuchhaltung (Kostenrechnung, Kalkulation) und andere Aufzeichnungen (zum Begriff der Bücher vgl. § 238 Rz 43). Unter den Begriff fallen auch Arbeitsanweisungen und andere Organisationsunterlagen, da diese für eine Aufbau- und Funktionsprüfung des rechnungslegungsbezogenen IKS unerlässlich sind.[8] Da die Bücher regelmäßig in großem Umfang elektronisch geführt werden, sind von dem Begriff auch die Prüfung der verwendeten EDV-Systeme sowie erforderliche Maßnahmen zur Lesbarmachung von Daten erfasst.

 

Rz. 18

Der zeitliche Umfang der vorzulegenden Bücher ist nicht nur auf das zu prüfende Gj beschränkt. Vielmehr darf der Abschlussprüfer auch die Vorjahresbücher einsehen und hat gleichfalls Zugriffsrechte auf zukunftsgerichtete Unterlagen, z. B. Planungsrechnungen, Finanzpläne.

 

Rz. 19

Der Begriff Schriften umfasst z. B.[9]

  • alle Arten von Geschäftspapieren (Briefe, E-Mails, Verträge, Bestellungen, Rechnungen, Lieferscheine, Frachtpapiere und sonstiger Schriftverkehr),
  • Unterlagen zu Rechtsstreitigkeiten,
  • Unterlagen zu Haftungsverhältnissen,
  • Personalunterlagen,
  • Unterlagen zu Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sowie Gesellschafterversammlungen (Protokolle, Vorlagen etc.),
  • Steuerbescheide und Steuererklärungen, Schriftverkehr mit Finanzbehörden (z. B. zu Rechtsbehelfsverfahren),
  • Unterlagen zu Finanzinstrumenten (Verträge, Abrechnungen, Nettingvereinbarungen, Dokumentation von Bewertungseinheiten, vgl. § 254 Rz 48),
  • Unterlagen der internen Revision,
  • Unterlagen zum rechnungslegungsrelevanten IKS (z. B. Organisationshandbücher, Arbeitsanweisungen, Stellenbeschreibungen, Ablaufdiagramme, Dokumentationen von vorgenommenen Zertifizierungen [z. B. ISO 9001]).
 

Rz. 20

Der Gesetzeswortlaut spricht von Vermögensgegenständen und Schulden. Gleichwohl umfasst das Prüfungsrecht auch solche Posten des Jahresabschlusses, die nicht diesen Begriff erfüllen, also z. B. EK, RAP, GoF. Dementsprechend sind die in Abs. 1 Satz 2 explizit aufgeführten VG Kasse und Bestände an Wertpapieren und Waren nur exemplarisch zu verstehen (Rz 15).

 

Rz. 21

Das Prüfungsrecht des Abschlussprüfers umfasst auch das Recht, Kopien von Unterlagen anzufertigen und Saldenbestätigungen von Kreditinstituten (Bankbestätigungen), Rechtsanwälten, Debitoren/Kreditoren u. a. einzuholen.[10]

[1] Vgl. Baetge/Brembt/Dücker, in Küting/Weber, HdR-E, § 320 HGB Rn 13 f., Stand: 03/2022.
[2] Vgl. IDW PS 300.14.
[3] Vgl. IDW PS 300.29.
[4] Vgl. IDW PS 300.30.
[5] Vgl. IDW PS 301.7, 301.16.
[6] Vgl. IDW PS 300.34.
[7] Vgl. IDW PS 300.35.
[8] Vgl. Baetge/Brembt/Dücker, in Küting/Weber, HdR-E, § 320 HGB Rn 11, Stand: 03/2022.
[9] Vgl. Ruhnke/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 320 HGB Rz 33, Stand: 8/2021.
[10] Vgl. zu Einzelheiten IDW PS 302 n. F.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge