Rz. 5

Das Einsichtnahmerecht besteht für Gläubiger und Gesellschafter des insolventen Unt. Unter Gläubiger sind alle Gläubiger der Ges. im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen. Gläubiger sind somit auch die Inhaber von gewinnabhängigen Zahlungsansprüchen, wie z. B. aus Nachrangdarlehen, Genussrechten oder stille Ges.[1] Nicht zu den einsichtsberechtigten Gläubigern zählen somit Gläubiger von TU oder des MU, sodass in Fällen der Insolvenz eines Konzerns oder einer Unternehmensgruppe ein Gläubiger nur Prüfungsberichte derjenigen Ges. einsehen darf, bei denen er auch Gläubiger ist. Werden Forderungen abgetreten,[2] geht das Einsichtnahmerecht mit über.[3] Das Einsichtnahmerecht besteht für sämtliche Forderungen, unabhängig von deren Höhe oder zeitlicher Fälligkeit.[4] Soweit ein Gläubiger jedoch seine Forderung vollumfänglich realisiert (z. B. wegen bestehender Aus- oder Absonderungsrechte), besteht kein berechtigtes Interesse mehr an einem Einsichtnahmerecht in die Prüfungsberichte.[5]

 

Rz. 6

Gesellschafter des Unt sind alle direkt am EK der insolventen Ges. Beteiligten. Maßgeblicher Zeitpunkt der Gesellschafterstellung ist hierbei der Zeitpunkt der Geltendmachung des Einsichtsrechts.[6] Stille Gesellschafter rechnen nicht zum Kreis der Gesellschafter, da sie gem. § 230 HGB ihre Einlage dergestalt geleistet haben, dass diese in das Vermögen der (nunmehr insolventen) Ges. übergegangen ist. Sie sind aber Gläubiger des Unt und erhalten hierüber das entsprechende Einsichtsrecht (Rz 5). Darüber hinaus bestehen die in § 233 HGB genannten Kontrollrechte der stillen Gesellschafter. Handelt es sich bei dem Gesellschafter um eine juristische Person, kann diese nicht nur durch einen gesetzlichen Vertreter, sondern auch durch einen vertretungsberechtigten Mitarbeiter (z. B. Prokurist, Syndikusanwalt) vertreten werden. Es handelt sich hierbei nicht um einen Fall der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers (Rz 8), sondern um eine Einsichtnahme durch den Berechtigten selbst.[7]

 

Rz. 7

Gläubiger und Gesellschafter können gem. Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ihr Einsichtsrecht auch durch einen Wirtschaftsprüfer oder vBP ausüben lassen. vBP können diese Funktion allerdings nur für mittelgroße Ges. i. S. v. § 267 HGB ausüben, wobei dies für jedes der drei Jahre separat zu beurteilen ist.[8]

 
Praxis-Beispiel

Die mittelgroße I-GmbH geht im Gj 04 insolvent. Bis einschl. Gj 02 handelte es sich um eine große KapG i. S. v. § 267 HGB. Ein Gläubiger bestimmt einen vBP zur Einsichtnahme in die Prüfungsberichte der Jahre 01–03. Der vBP darf die Einsichtnahme nur für die Prüfungsberichte der Gj vornehmen, in denen er die Voraussetzungen des § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB erfüllt. Dies ist im vorliegenden Fall ausschl. für das Gj 03 erfüllt.

 

Rz. 8

Das Einsichtnahmerecht kann auch auf WPG/BPG übertragen werden.[9] Die WPG ihrerseits wird regelmäßig die Auftragsverantwortung Mitarbeitern übertragen, die selbst WP bzw. vBP sind. Dies ist aber nicht zwingend, weil das Erfordernis aus Abs. 1 Satz 1 durch die Beauftragung der WPG/BPG erfüllt ist und die Mitarbeiter nach § 50 WPO zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Somit können auch von der WPG/BPG beauftragte Nicht-Berufsträger das Einsichtnahmerecht für die WPG/BPG ausüben.

 

Rz. 9

Die Übertragung des Einsichtnahmerechts auf einen Wirtschaftsprüfer schließt zwar nach dem Gesetzeswortlaut ("oder") die eigene Wahrnehmung des Einsichtnahmerechts durch den Gesellschafter oder Gläubiger aus. Nach Sinn und Zweck der Regelung dürfte aber eine Einsichtnahme sowohl durch den Gesellschafter bzw. Gläubiger und dessen Wirtschaftsprüfer möglich sein. Dies erscheint gerade in solchen Fällen sachgerecht, in denen zunächst der Berechtigte sein Einsichtsrecht selbst wahrnimmt und dabei zur Erkenntnis gelangt, dass er zum besseren Verständnis des Prüfungsberichts einen Wirtschaftprüfer (oder ggf. vBP) benötigt.[10] Bei derartigen sachlich begründeten Fällen wird somit auch eine mehrfache Ausübung des Einsichtnahmerechts in Betracht kommen.[11]

[1] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 193.
[2] Z. B. gehen gem. § 9 Abs. 2 BetrAVG Pensionsansprüche und Pensionsanwartschaften auf den PSV über.
[3] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 193.
[4] Gem. § 41 Abs. 1 InsO gelten noch nicht fällige Forderungen auf den Eröffnungszeitpunkt des Insolvenzverfahrens als fällig.
[5] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 193.
[6] Vgl. Orth, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 321a HGB Rz 27, Stand: 7/2022.
[7] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 197.
[8] Gl. A. Pfitzer/Oser/Orth, Reform des Aktien-, Bilanz- und Aufsichtsrechts, 2. Aufl. 2006, S. 125.
[9] Vgl. BT-Drs. 15/3419 v. 24.6.2004 S. 43.
[10] Gl. A. Orth, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 321a HGB Rz 30, Stand: 7/2022.
[11] Gl. A. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 198.

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