Rz. 1

Anders als in Deutschland hat das Konzept der Steuerlatenz in der angelsächsischen Bilanzierungspraxis eine lange Tradition. Ursache hierfür ist der Umstand, dass die angelsächsischen Staaten keinen Grundsatz der Maßgeblichkeit kennen.

 

Rz. 2

In Deutschland wurden gesetzliche Regelungen zur Erfassung latenter Steuern mit den §§ 274, 306 HGB erstmals durch das BiRiLiG v. 19.12.1985 eingeführt. Im Zuge des BilMoG wurde das bis dahin angewandte Timing-Konzept durch das international übliche Temporary-Konzept (allerdings mit gewichtigen Abweichungen) abgelöst (Rz 17).

 

Rz. 3

Die Ursache der Bilanzierung latenter Steuern liegt in der Abweichung von handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung begründet. Diese Abweichung hat sich durch vielfältige steuerbilanzielle Sonderregelungen im Lauf der Jahre verstärkt;[1] mit dem BilMoG wurden durch den Gesetzgeber weitere handelsrechtliche Abweichungen zum Steuerbilanzrecht eingeführt (z. B. Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des Anlagevermögens nach § 248 Abs. 2 HGB, Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 EStG, § 247 Abs. 3 HGB), um die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu stärken. Da der Gewinnausweis in der Steuerbilanz tendenziell früher als in der Handelsbilanz erfolgt, wird sich in weniger komplexen Fällen häufig ein Aktivüberhang an latenten Steuern ergeben, der dem Aktivierungswahlrecht unterliegt, das in der betrieblichen Praxis eher selten ausgeübt wird.[2] Somit wird auch mit dem Temporary-Konzept die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen verschiedener Unt eingeschränkt sein. Das Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern, verbunden mit der Gesamtdifferenzenbetrachtung (Rz 35), kommt sicherlich kleinen und mittleren Unt zugute, da sie von aufwendigen und komplexen Ermittlungen zumindest dann entlastet bleiben, wenn ein Aktivüberhang latenter Steuern nachgewiesen werden kann.[3]

 

Rz. 4

Die von § 274 HGB erfassten Steuerarten sind Einkommen- und Ertragsteuern des bilanzierenden Unt, d. h. in Deutschland derzeit KSt, SolZ und GewSt. Bei PersG und Ekfl. stellt die ESt der Gesellschafter bzw. des Kfm. keine Steuer des bilanzierenden Unt dar, sodass sie nicht in die Steuerlatenzierung einzubeziehen ist.

 

Rz. 5

Die Änderung der handelsrechtlichen Konzeption zur Abbildung latenter Steuern durch das BilMoG beschränkt sich nicht nur auf den Jahresabschluss, sondern ist parallel in § 306 HGB für den Konzernabschluss vorgenommen worden (zu Einzelheiten § 306 Rz 3 ff.). Für § 306 HGB existiert mit DRS 18 eine Interpretation, die gem. § 342q Abs. 2 HGB als vermutete Konzern-GoB gilt. DRS 18 beschäftigt sich mit latenten Steuern sowohl nach § 306 HGB als auch nach § 274 HGB, wurde zuletzt mit DRÄS 11 überarbeitet und entfaltet entsprechende Ausstrahlungswirkung für die Abbildung latenter Steuern im Jahresabschluss.[4]

[1] Z. B. mit dem Verbot der Passivierung von Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 4a EStG.
[2] Vgl. Kreipl/Lange/Müller in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar Erfahrungsbericht BilMoG, 2012, Rz 214.
[3] Vgl. Herzig, BB 2009, S. M 1.
[4] Gl. A. Loitz, DB 2010, S. 2177.

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