Rz. 1

§ 264 HGB verpflichtet die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, ggf. mit Ausnahme von Kleinstkapitalgesellschaften, zur Erweiterung des Jahresabschlusses um einen Anhang sowie – mit Ausnahme von kleinen KapG (§ 267 Rz 2 ff.) – zur Erstellung eines Lageberichts. Sollte eine kapitalmarktorientierte KapG zulässigerweise keinen Konzernabschluss erstellen, so haben deren gesetzliche Vertreter den Jahresabschluss zusätzlich um eine Kapitalflussrechnung (KFR) und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern. Der Jahresabschluss darf um eine Segmentberichterstattung erweitert werden. Die Teile des Jahresabschlusses bilden eine Einheit, d. h. für die Erfüllung der Aufstellungspflicht müssen alle jeweils geforderten Teile vorliegen, sie sind bei bestehender Prüfungspflicht gemeinsames Prüfungsobjekt und sie sind gemeinsam nach § 325 HGB offenzulegen durch die Übermittlung an die das Unternehmensregister führende Stelle. Zudem wird die Aufstellungsfrist grds. auf drei Monate festgelegt. Für kleine KapG wird sie auf sechs Monate verlängert. Zusätzlich bedarf es gem. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB für KapG, die als Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 14 WpHG) Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 WpHG ausgeben und nicht nach § 327a HGB befreit sind, der Abgabe einer Versicherung über die Ordnungsmäßigkeit der Berichterstattung ("Bilanzeid"), die aber nicht Teil des Jahresabschlusses ist.

 

Rz. 2

In § 264 Abs. 2 HGB hat der Gesetzgeber eine Generalnorm expliziert, die für die Jahresabschlüsse von KapG die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter Beachtung der GoB verlangt. Diese Norm ist jedoch, wie auch aus der Überschrift des zweiten Abschnitts deutlich wird, bislang lediglich ergänzend zu verstehen, sodass sie nicht – wie aus Art. 2 Abs. 5 der 4. EU-RL eigentlich klar zu verstehen – als overriding principle zu betrachten ist.[1] Sie unterstreicht zwar die Informations- und Rechenschaftsfunktion des Jahresabschlusses,[2] doch haben die Einzelregelungen, die sich aus den übrigen handels-, aktien- oder GmbH-rechtlichen Vorschriften ergeben, sowie explizit die der GoB Vorrang (lex specialis geht vor lex generalis). Auch mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen[3] hat der Gesetzgeber diese klare Positionierung der Generalnorm als Overriding Principle[4] weiterhin nicht in das HGB übernommen.

[1] Vgl. Lachnit, WPg 1993, S. 193 ff.
[2] Vgl. Ballwieser, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 264 HGB Rz 2, Stand: 5/2019.
[3] Bilanz-Richtlinie RL 2013/34/EU, ABl. EU L 182/19–76 v. 29.6.2013.
[4] Vgl. Kreipl/Müller, in Seicht/Janschek, Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2014, S. 280 f.; Mühlbauer/Müller, DB 2018, S. 1482–1487 sowie die Diskussion darüber bei Haaker, DB 2019, S. 383 f. und Mühlbauer/Müller, DB 2019, S. 385 f.

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