1 Überblick

 

Rz. 1

Die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten des § 257 HGB sind im Zusammenhang mit den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 238 HGB zu sehen. Den Aufbewahrungsvorschriften kommen insb. Dokumentations- und Beweissicherungsfunktionen zu. Für die mit der Aufbewahrung verbundenen Aufwendungen sind Rückstellungen zu bilden (§ 249 Rz 210).[1]

 

Rz. 2

Adressaten von § 257 HGB sind alle Kfl. sowie alle Körperschaften, die, ohne Kfm. zu sein, Bücher nach den Vorschriften des HGB führen müssen und keine anderen Aufbewahrungspflichten zu befolgen haben.[2]

 

Rz. 3

Verantwortlich für die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht ist der Kfm. selbst. Bei der OHG sind das alle Gesellschafter, bei der KG und der KGaA der Komplementär, bei KapG die zuständigen Organe. Die Eigenverantwortung des Kfm. gilt auch, wenn die Buchführung außer Haus durchgeführt wird.[3]

 

Rz. 4

§ 257 HGB bezieht sich v. a. auf Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse, Lageberichte und Konzernlageberichte sowie IFRS-Abschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB. Weiterhin umfasst die Vorschrift Eröffnungsbilanzen, Zwischenabschlüsse sowie Abschlüsse für Rumpf-Gj.

 

Rz. 5

Aufbewahrungs- und Buchführungspflichten beginnen mit dem Beginn und enden mit der Beendigung der Kaufmannseigenschaft. Die Aufbewahrungspflicht überdauert den Tod des Kfm. ebenso wie die Insolvenz, die Auflösung und die Veräußerung des Handelsgeschäfts.[4]

 

Rz. 6

 

Praxis-Beispiel 1

Die M GmbH stellt am 1.1.01 einen Insolvenzantrag. Am 2.1.01 bestellt das Amtsgericht den X als vorläufigen Insolvenzverwalter. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Beginn des 20.1.01 wird Z als endgültiger Insolvenzverwalter der Z bestellt.

Bis zum Ablauf des 1.1.01 ist die Geschäftsführung für die Aufbewahrungspflichten zuständig. Vom 2.1.01 bis zum Ablauf des 19.1.01 ist X (§§ 21, 22 InsO), ab dem 20.1.01 Z (§§ 35, 36, 148 InsO) für die Erfüllung der Aufbewahrungspflichten verantwortlich.

 

Rz. 7

 

Praxis-Beispiel 2

Die A GmbH beantragt am 15.10.01 die Liquidation. Am 30.10.01 wird die Ges. als A GmbH iL in das Handelsregister eingetragen, als Liquidator wird L bestellt. Am 25.12.03 wird die A GmbH iL im Handelsregister gelöscht.

Bis zum Ablauf des 29.10.01 ist die Geschäftsführung für die Aufbewahrungspflichten zuständig. In der Abwicklungsphase vom 30.10.01 bis zum 25.12.03 besteht die Ges. mit geändertem Zweck weiter, der dann agierende Liquidator L ist in diesem Zeitraum der Aufbewahrungspflicht unterworfen (§ 71 Abs. 2 GmbHG). Die bis zum 25.12.03 angefallenen Unterlagen[5] sind für zehn Jahre einem der bisherigen Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Grds. ist der Gesellschaftsvertrag für die Regelung der Aufbewahrungspflicht maßgeblich, notfalls beschließt das Gericht (§ 74 Abs. 2 GmbHG). Der Fristlauf beginnt mit dem auf die Hinterlegung folgenden Tag (§ 187 Abs. 1 BGB).

Hinweis: Für die OHG und die KG gilt Vergleichbares nach § 157 Abs. 2 HGB. Für die AG bestimmt das Registergericht den Ort der Aufbewahrung von Amts wegen (§ 273 Abs. 2 AktG).

 

Rz. 8

Die steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen sind in § 147 AO geregelt. Der Kreis der Aufbewahrungspflichtigen geht über denjenigen des § 257 HGB hinaus, die §§ 140ff. AO umfassen auch die nicht in das Handelsregister eingetragenen Kann-Kaufleute.

 

Rz. 9

Der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen ist nach Steuerrecht größer als nach Handelsrecht[6]: Das Steuerrecht umfasst z. B. auch außersteuerrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften.

[1] Vgl. dazu auch IDW RH HFA 1.009.
[2] Ergänzend zum Adressatenkreis vgl. etwa ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 257 HGB Rz 9 ff.; Isele, in Küting/Weber, HdR-E, § 257 HGB Rn 12 ff., Stand: 5/2017.
[3] Vgl. IDW RS FAIT 1.18 i. V. m. 1.114.
[4] Ergänzend vgl. etwa ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 257 HGB Rz 10 f.
[5] Gegenstand der Verwahrung sind die Bücher und Schriften der Ges. i. S. d. § 257 HGB einschl. der im Lauf der Liquidation angefallenen Unterlagen, insb. die Schlussrechnung und Belege über den Gläubigeraufruf.
[6] Vgl. z. B. Seemann, in Frotscher/Geurts, EStG, § 50b EStG Rz 34, Stand: 1/2008; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 140 AO Tz 12–14, Stand: 2012.

2 Gegenstand der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2)

2.1 Unterlagen mit einer Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren

 

Rz. 10

Zu den aufbewahrungspflichtigen Handelsbüchern gehören auch Nebenbücher wie Kassenbücher und Lagerbücher, Wechsel- und Scheckkopierbücher, Unterlagen der Lohnbuchführung, Belege einer Offene-Posten-Buchhaltung und die Betriebsabrechnung (zum Begriff der Handelsbücher vgl. auch § 238 Rz 43).[1] MU müssen ergänzend die für die Konzernrechnungslegung erforderlichen Unterlagen aufbewahren.

 

Rz. 11

Zu den Inventurunterlagen gehören insb. Aufnahmelisten und Verzeichnisse (z. B. Anlagenverzeichnis, Saldenlisten für Debitoren und Kreditoren).

 

Rz. 12

Eröffnungsbilanzen sind nur zu Beginn des Handelsgewerbes bzw. zu Beginn der Buchführungspflicht aufzubewahren. Die Aufbewahrungspflicht gilt damit nicht für die Eröffnungsbilanz des jeweiligen Gj (gleich Schlussbilanz des abgelaufen...

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