Rz. 118

§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB schreibt vor, dass der Betrag – das Aufgeld oder Agio –, der bei der Ausgabe von Anteilen über den Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, über den rechnerischen Wert hinaus erzielt wird, als Kapitalrücklage auszuweisen ist. Bei der AG, der SE oder der KGaA kann ein als Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB auszuweisender Betrag grds. nur aus der Ausgabe von Anteilen i. R. e. Bar- oder Sachgründung oder einer Bar- oder Sachkapitalerhöhung – umfasst ist auch ein Aufgeld aus der Ausgabe von Bezugsanteilen bei einer bedingten Kapitalerhöhung – erzielt werden.[1]

 

Rz. 119

In der Praxis stellt sich für die AG, die SE und die KGaA häufig die höchstrichterlich bisher nicht ausdrücklich entschiedene und gesellschaftsrechtlich umstrittene Frage, ob – regelmäßig im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung, denkbar aber auch bei Gründung – nur die Vereinbarung eines sog. korporativen Agios als Gegenleistung für die auszugebenden Aktien möglich ist, das dann handelsbilanziell in den Anwendungsbereich des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB fällt und damit den Verfügungsbeschränkungen des § 150 AktG unterliegt oder ob auch ein sog. schuldrechtliches Agio vereinbart werden kann. Zwar stuft die h. M. die Vereinbarung eines sog. schuldrechtlichen Agios als den wirtschaftlichen Wert der ausgegebenen Aktien zulässigerweise als abdeckende Gegenleistung ein.[2] Jedoch steht die h. M. gerade auch vor dem Hintergrund eines notwendigen Verwässerungsschutzes auf dünnem Eis. Es sprechen gute Argumente dafür, ein sog. schuldrechtliches Agio nur soweit als zulässig einzustufen, als es nicht zur Herstellung eines betragsmäßig angemessenen Ausgabebetrags i. S. d. § 255 Abs. 2 AktG erforderlich ist, sondern darüber hinausgeht.[3]

Vor dem Hintergrund der gegenwärtig unklaren Rechtslage wird man ein sog. schuldrechtliches Agio handelsbilanziell jedenfalls insoweit als Zuführung zur Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfassen können, als der betreffende Betrag den angemessenen Ausgabebetrag übersteigt. Aber auch einem zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und dem angemessenen Ausgabebetrag liegenden Betrag wird man aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage eine Klassifizierung als Zuführung zur Kapitalrücklage nicht verweigern können, soweit ausdrücklich eine sonstige Zuzahlung i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB vereinbart ist. Anderenfalls ist eine i. R. e. Gründung oder Kapitalerhöhung über den Nennbetrag oder den rechnerischen Wert der ausgegebenen Anteile hinausgehende Leistung als Aufgeld i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu klassifizieren.[4]

Das Aufgeld nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB ist mit der Eintragung der Gründung oder Kapitalerhöhung im Handelsregister als Kapitalrücklage in der Bilanz auszuweisen. Erfolgt die Einzahlung bereits vorab und liegt zwischen der Einzahlung und der Eintragung in das Handelsregister ein Abschlussstichtag, ist der erhaltene Betrag als Verbindlichkeit zu passivieren.[5]

Abzugrenzen sind das sog. korporative und das sog. schuldrechtliche Agio vom sog. stillen Aufgeld. In diesem Fall erfolgt keinerlei Festsetzung eines Agios, sondern übersteigt der tatsächliche Wert einer Sacheinlage lediglich den geringsten Ausgabebetrag (Nennwert oder rechnerischen Wert) der Anteile. Erfolgt die Ausgabe der Anteile zu einem höheren Betrag als dem geringsten Ausgabebetrag, ist die Differenz zwischen dem Betrag, zu dem die Sacheinlage zu aktivieren ist – nämlich dem höheren Ausgabebetrag –, und dem geringsten Ausgabebetrag als Agio nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu klassifizieren und auszuweisen. Ein den höheren Ausgabebetrag übersteigender tatsächlicher Wert der Sacheinlage kann ebenfalls aufgedeckt oder aber eine stille Reserve gebildet werden.

 

Rz. 120

Besonderheiten können sich bei Sacheinlagen und bei mittelbaren Bezugsrechten ergeben. Bei Sacheinlagen entsteht das nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB auszuweisende Aufgeld ebenso wie bei Bareinlagen durch die Festsetzung eines über den Nennwert der Anteile hinausgehenden Ausgabebetrags (§§ 27 Abs. 1, 185 Abs. 1 AktG).[6] Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass der Zeitwert der Sacheinlage den Nennbetrag der ausgegebenen Anteile auch tatsächlich übersteigt, d. h., der Nennbetrag der ausgegebenen Anteile muss immer durch den beizulegenden Zeitwert der Sacheinlage gedeckt sein. Als Wertansatz für die Sacheinlage können der Buchwert, ein steuerneutraler Zwischenwert oder als Obergrenze der beizulegende Zeitwert gewählt werden. Da die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB nur "offen" vereinbarte Aufgelder aufnimmt, können Sacheinlagen zur Bildung stiller Rücklagen genutzt werden.

 

Rz. 121

Ein Aufgeld kann in der Satzung oder im Beschluss über die Kapitalerhöhung ausdrücklich vereinbart und betragsmäßig beziffert werden. Die AK der Sacheinlage werden in diesem Fall durch den über dem Nennwert der Anteile liegenden höheren Ausgabebetrag bestimmt. Der den Nennbetrag der ausgegebenen Anteile übersteigende Betrag ist gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB a...

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