Rz. 37

Die Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung ist im Zeitpunkt ihrer Begründung und fortan zu jedem Abschlussstichtag prospektiv zu beurteilen.[1] Zu diesem Zweck hat der Bilanzierende abzuschätzen, ob und in welchem Umfang sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen einer Bewertungseinheit am Bilanzstichtag und voraussichtlich in der Zukunft ausgleichen werden.[2] Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, für die Effektivität einer Bewertungseinheit eine Mindestanforderung zu normieren.[3] In der Begründung des Rechtsausschusses heißt es: "Etwaige Effektivitätsspannen, wie sie die International Financial Reporting Standards (IFRS) für die Annahme einer wirksamen Bewertungseinheit vorsehen, haben handelsrechtlich keine Bedeutung".[4] Dementsprechend kann es bei der Abschätzung des zu erwartenden Risikoausgleichs nur darum gehen, die objektive Eignung des Sicherungsinstruments zur Risikokompensation zu beurteilen (zu den Auswirkungen der IBOR-Reform vgl. Rz 44). Das soll einer willkürlichen Definition von Bewertungseinheiten und der damit verbundenen Einschränkung zentraler GoB entgegenwirken.[5] Um eine Sicherungsbeziehung dem Grunde nach anzuerkennen, wird man gleichwohl eine Mindestwirksamkeit verlangen müssen. Sie wird verschiedentlich in einer Spanne von 50 %–200 % gesehen.[6] Jenseits dieser Grenzen muss von einer zufälligen Risikokompensation ausgegangen werden, die für die Anwendung des § 254 HGB schädlich ist.

Der Umfang des erwarteten Ausgleichs der gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme innerhalb einer Bewertungseinheit ist für Zwecke der Anhangberichterstattung zu dokumentieren (§ 285 Nr. 23b HGB; § 285 Rz 143 ff.).

 

Rz. 38

Die Anforderungen an den Effektivitätsnachweis variieren in Abhängigkeit von der Art und dem Umfang der Sicherungsbeziehung. Der Gesetzgeber hat es dem Bilanzierenden überlassen, eine geeignete Methode zur Beurteilung der prospektiven Effektivität einer Sicherungsbeziehung zu wählen.[7]

Die Beurteilung kann auf der Grundlage eines der Art und dem Umfang der Risiken sowie der Art und dem Umfang der Grundgeschäfte angemessenen Risikomanagementsystems erfolgen. Eine einmal gewählte Methode unterliegt dem Stetigkeitsgebot.[8] Der Übergang auf eine andere Methode ist zulässig, wenn diese verlässlichere Ergebnisse ermittelt und damit zu einem besseren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führt.[9]

 

Rz. 39

Bei Micro-Hedges kann die prospektive Effektivitätsbeurteilung in der Mehrzahl der Fälle ohne Rückgriff auf komplexe mathematisch-statistische Verfahren erfolgen. Sind die maßgeblichen Risikoparameter von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument aufeinander abgestimmt, lässt sich der zu erwartende vollständige Risikoausgleich häufig anhand der critical-terms-match-Methode belegen. Danach ist eine perfekte Sicherungsbeziehung anzunehmen, wenn im Hinblick auf das abgesicherte Risiko alle wertbestimmenden Faktoren von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument übereinstimmen. Alle nicht übereinstimmenden Wertkomponenten müssen demgegenüber das nicht abgesicherte Risiko betreffen. Ein Zinsswap ist nach diesem Beurteilungsansatz dann als voll wirksames Sicherungsinstrument einzustufen, wenn Nominal- und Kapitalbetrag, Währung, Laufzeiten, Zinsanpassungstermine, die Zeitpunkte von Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Bemessungsgrundlage für die Zinsanpassung für Grund- und Sicherungsgeschäft übereinstimmen.[10]

 
Praxis-Beispiel

Maschinenbauer M hat sich Ende 01 verpflichtet, an einen Kunden in Großbritannien eine Fertigungsanlage zum Preis von 50 Mio. GBP zu liefern. Der Kaufpreis ist am 1.1.03 in einem Betrag fällig. Um sich gegen das Währungsrisiko abzusichern, hat M ein marktkonformes Devisentermingeschäft (Verkauf) über 50 Mio. GBP mit gleicher Fälligkeit wie der Kaufpreisanspruch abgeschlossen. Kassa- und Terminkurs des britischen Pfunds stimmen überein.

Es liegt eine perfekte Sicherungsbeziehung vor, da die Währung, das Volumen und die Laufzeit der Geschäfte übereinstimmen und zudem kein störender Einfluss aus Zinsunterschieden zwischen Deutschland und Großbritannien resultiert. Die nicht übereinstimmenden Wertkomponenten (z. B. Bonitätsrisiko des Vertragspartners) betreffen nicht das abgesicherte Risiko. Die prospektive Effektivität ist damit dargelegt. Bei der bilanziellen Abbildung der Sicherungsbeziehung kann ebenfalls von einem vollständigen Ausgleich der gegenläufigen Wertänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsgeschäft ausgegangen werden (retrospektive Effektivität).[11]

Variante 1:

Abweichend vom Ausgangsfall sei angenommen, das Termingeschäft werde am 1.1.02 mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt beträgt der Kassakurs des britischen Pfund 0,9 GBP je EUR. Das Zinsniveau ist in Großbritannien um 3 % höher als in der Eurozone. M hat entschieden, das Termingeschäft vollständig (einschl. Zinskomponente) als Sicherungsinstrument zu designieren. Die Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen aus dem Grundgeschäft beurteilt M au...

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