Rz. 184

Die bei Ausübung des Ansatzwahlrechts nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB zu aktivierenden Aufwendungen müssen sich in sachlicher und zeitlicher Hinsicht als HK qualifizieren. Sachlich sind Aufwendungen angesprochen, die bei der Entwicklung eines VG anfallen. Negativ dürfen sie nicht der Forschungsphase zuzurechnen sein.[1]

Als Forschung gelten solche Aktivitäten des Unt, die auf die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen (z. B. über Materialien, Vorrichtungen, Verfahren, Prozesse) oder Erfahrungen allgemeiner Art gerichtet sind. Aussagen zur technischen und ökonomischen Verwertbarkeit des angeeigneten Wissens sind in dieser Phase regelmäßig nicht verlässlich möglich. Diese Unsicherheit erklärt, warum in der Forschungsphase eine Aktivierung selbst geschaffener Vermögensvorteile ausgeschlossen ist.[2] Entwicklung zeichnet sich demgegenüber durch die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neu- bzw. (wesentliche) Weiterentwicklung von Gütern, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen vor Aufnahme der eigentlichen Produktion aus. Die technische und ökonomische Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens lässt sich je nach Gegenstand und Stadium des Vorhabens mehr oder weniger verlässlich abschätzen. Deshalb soll in dieser Phase die Aktivierung von HK für einen selbst geschaffenen immateriellen VG nicht ausgeschlossen sein.

 

Rz. 185

Forschung und Entwicklung werden verbreitet als Teil eines sequenziell verlaufenden Innovationsprozesses dargestellt:[3]

 

Abb. 6: Sequenziell verlaufender Innovationsprozess

Sind Forschungs- und Entwicklungsphase für einzelne Vorhaben wie in Abb. 6 dargestellt jeweils klar abgrenzbar, lassen sich die sachlich für eine Aktivierung qualifizierenden Entwicklungsaufwendungen durch eine entsprechend ausgestaltete Kostenrechnung erfassen. Die Grenzlinie zwischen den beiden Phasen ist unternehmensindividuell festzulegen. Anhaltspunkte hierfür liefern die Erläuterungen in den Gesetzesmaterialien sowie in dem als Vorbild dienenden IAS 38, die verschiedene betriebliche Maßnahmen der Forschungs- bzw. Entwicklungsphase zuschreiben (Tab. 3).[4]

Zudem werden sich vielfach aus den betrieblichen Abläufen Hinweise auf den Übergang zwischen der Forschungs- und Entwicklungsphase ergeben. Zu denken ist insb. an Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse.

 
Forschung Suche nach und Testen von Alternativen für verwendete Materialien, eingesetzte Fertigungsverfahren, angebotene Produkte
Bewertung der Testergebnisse und Beurteilung der untersuchten Alternativen
Prüfung der Nutzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse
Formulierung von Anforderungen an ein neues Produkt oder Verfahren in einem Pflichtenheft
Machbarkeitsstudien
Entwicklung Feinplanung zur Realisierung neuer Produkte, Verfahren, Systeme
Entwicklung von Schablonen, Formen, Werkzeugen
Konstruktion und Fertigung von Modellen, Prototypen, Vorprodukten
Design und Programmierung von Softwareprodukten
Testen, Auswertung und Umsetzung von Testergebnissen
Betrieb einer Pilotanlage vor der kommerziellen Nutzung

Tab. 3: Maßnahmenbezogene Abgrenzung von Forschung und Entwicklung

 

Rz. 186

Mit Blick auf das Gebot der Ansatzstetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) und im Interesse der Bilanzobjektivierung ist bei Wahrnehmung des Aktivierungswahlrechts nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB die Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungsphase nachvollziehbar zu dokumentieren. Diese Verpflichtung besteht auch für jedes weitere Vorhaben. Der Verzicht auf eine Aktivierung nachfolgender Entwicklungsprojekte mit dem bloßen Hinweis auf eine unterbliebene Trennung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen verbietet sich. Vielmehr bedarf jede unmittelbar aufwandswirksame Erfassung von Entwicklungskosten einer sachlichen Begründung, die aus der Projektdokumentation hervorgehen muss.

 

Rz. 187

Nicht immer verlaufen Forschung und Entwicklung sequenziell. Die Softwarebranche nutzt bspw. für die Entwicklung komplexer Applikationen verbreitet ein agiles Projektmanagement (Scrum). Anders als bei einer herkömmlichen Herangehensweise wird das Projekt nicht ex ante personell, inhaltlich und zeitlich durchgeplant. Scrum setzt auf kurze, aber feste Planungszeiträume (nicht selten ein Tag), in denen kleinere Arbeitspakete in sich selbst organisierenden Teams abgearbeitet werden. Die anschließende Abstimmung der Arbeitsergebnisse eines solchen Sprints bildet den Ausgangspunkt für die Planung des nächsten Projektabschnitts. Da bei dieser Verfahrensweise fortwährend Lösungen für in der Projektabwicklung erkannte neue Herausforderungen entwickelt werden, kommt es zu einem ständigen Wechsel zwischen Ideengewinnung (Forschung) und Ideenumsetzung (Entwicklung), wobei sich die Phasen teilweise überlagern. Werden immaterielle VG auf diese Weise hervorgebracht, scheitert ihre Aktivierung regelmäßig an der nicht möglichen Trennung von Forschungs- und Entwicklungskosten.[5]

 

Rz. 188

Selbst wenn sich Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten...

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