Rz. 44

Wenngleich mit dem BilReG vorwiegend die Etablierung der IFRS als weiterer Standard der externen Rechnungslegung in Deutschland in Verbindung gebracht wird, erweiterte dieser Reformschritt (nochmals) die Inhalte des Lageberichts:

  • Ausgehend vom BiRiLiG (1985) hatten Unt, die nach § 264 Abs. 1 HGB verpflichtet waren, einen Lagebericht zu erstellen, zumindest den Geschäftsverlauf und die Lage so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wurde. Nach § 289 Abs. 2 HGB sollte u. a. auf die voraussichtliche Entwicklung des Unt eingegangen werden.
  • Durch das KonTraG (1998) war der Inhalt des Lageberichts dahingehend konkretisiert worden, dass bei der Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unt nach Abs. 1 "auch auf Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen" war ("Risikoberichterstattung").
  • Seit dem BilReG (2004) ist im Lagebericht "die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben".[1]
 

Rz. 45

Verglichen mit der durch das KonTraG eingeführten Regelung reicht seit dem BilReG nunmehr ein "Eingehen" (oder eine reine Nennung) nicht mehr aus. Vielmehr ist eine aussagekräftigere "Beurteilung" und "Erläuterung" einschl. Angabe der zugrunde liegenden Annahmen notwendig, nun auch bezogen auf die Chancen der zukünftigen Entwicklung. Hierdurch sollen dem Lageberichtsadressaten laut Begründung im Regierungsentwurf zum BilReG Soll-Ist-Vergleiche ermöglicht werden.

 

Rz. 46

Im Prognoseberichtsteil des Lageberichts hat nunmehr eine zusammengefasste Berichterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung der Ges. mit den wesentlichen Chancen und Risiken unter Angabe der zugrunde liegenden Annahmen zu erfolgen. Die vor BilReG bestehende gesetzestechnische Trennung der Berichtsteile "voraussichtliche Entwicklung" und "Risikoberichterstattung" wurde aufgegeben. Aufgrund der engen sachlichen Verknüpfung der Ausführungen zur zukünftigen Entwicklung und den Angaben zu wesentlichen Chancen und Risiken kann die Berichterstattung nun zusammenhängend erfolgen. Nach Abs. 1 Satz 4 ist daher ein zusammengehöriger Prognose- und Risikobericht vorgeschrieben.

 

Rz. 47

Dies wird auch in DRS 20.116 gefordert, wobei die DRS für den Einzelabschluss gleichwohl nur empfehlenden Charakter haben. Ob die Praxis den kodifizierten zusammengehörigen Risiko- und Prognosebericht annimmt (bisher eher nicht), bleibt abzuwarten. Erfolgt eine zusammenhängende Berichterstattung, sollte die Berichterstattung über die Finanzinstrumente (Abs. 2 Nr. 1) jedoch zumindest separat erfolgen.

 

Rz. 48

Genaue Inhalte werden durch das HGB nicht vorgegeben. Auch ist der Risikobegriff im Gesetz nicht definiert, obwohl dies der Ausgangspunkt einer jeden Auseinandersetzung mit Risiken (und Chancen) sein sollte:

  • In einer (auch umgangssprachlich üblichen) engen Begriffsabgrenzung wird Risiko als reine Verlustgefahr verstanden (Risiko i. e. S.).
  • Eine weite Begriffsdefinition begreift Risiko hingegen unter Einbeziehung der positiven Entwicklungen bzw. Abweichungen: Risiko ist hier die Möglichkeit, dass etwas anders kommt als erwartet (Risiko i. w. S.).
 

Rz. 49

Wirtschaftswissenschaftliche Risikobegriffe beziehen sich stets auf eine Abweichung zwischen dem tatsächlich eintretenden Ereignis und dem mit der größten Wahrscheinlichkeit erwarteten Ereignis (Erwartungswert) oder auf die Möglichkeit der Verfehlung eines (zuvor festgelegten) Ziels. Bei Letzterem wird von Zielverfehlung oder, bei Vorliegen der weiteren Abgrenzung, auch von Zielübererfüllung gesprochen. Dies verdeutlicht den Zusammenhang von Risiko und Ziel.[2]

 

Rz. 50

Abweichend hiervon wird im Schrifttum zum Lagebericht unter Risiko ein negatives Abweichen vom erwarteten Wert begriffen (DRS 20 beschreibt Risiken als "mögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unt negativen Prognose- bzw. Zielabweichung führen können"). Derart verstandenen Risiken werden seit dem BilReG im Lagebericht die Chancen gleichwertig dazugestellt. DRS 20 greift die Parallelität der Risiko- und Chancenbegriffe auf und präzisiert Chancen als "mögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unt positiven Prognose- bzw. Zielabweichung führen können".

 

Rz. 51

Über welche wesentlichen Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zu berichten ist, besagt das HGB nicht. Angelehnt an den inzwischen aufgehobenen IDW RS HFA 1 Anm. 29 sind jene Risiken und Chancen wesentlich, die einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Ges. haben können (potenziell spürbarer Einfluss auf die künftige Entwicklung der Ges.). Hierzu gehören insb. solche Risiken, die den Fortbestand der Ges. gefährden können (zur Berichterstattungspflicht in der Unternehmenskrise s. u.). DRS 20.148 verlangt hingegen, dass über jene wesentlichen Risiken und Chancen zu berichten ist, die die Entscheidungen eines verständigen Konzernlageberichtsadressaten beeinflussen können (w...

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