Rz. 25

Dem Gesetzgeber war die Mitwirkung des privaten Standardisierungsgremiums in internationalen Gremien ein zentrales Anliegen: Der deutschen Stimme sollte Gehör bei der Entwicklung internationaler Rechnungslegungsnormen verschafft werden. Wie auch in der Literatur zutreffend festgestellt, hat die Mitwirkung dem Grunde nach zwei Facetten: Zum einen bietet sie die Möglichkeit, sich in die (Weiter-)Entwicklung des internationalen Bilanzrechts mit Argumenten und Denkansätzen einzubringen; auf der anderen Seite bedeutet sie, dass international erarbeitete Gedankengut national nutz- und anwendbar zu machen.[1]

 

Rz. 26

Erstaunlicherweise (aber auch unerklärlicherweise) wird die Vertretungsaufgabe weder im Gesetz noch in der Begründung zu diesem noch im Standardisierungsvertrag näher erläutert, ausgestaltet oder mit einer Sollvorstellung belegt. Dem Standardsetzer wird faktisch ein Freifahrtschein erteilt.[2] Mag ein derartiges Tun im Lichte der Situation vor 20 Jahren noch nachvollziehbar erscheinen, weil die Diskussionen zur Errichtung eines nationalen Standardsetzers – zumindest mehrheitlich – in dieselbe Richtung gingen und die Einbringung auf internationaler Ebene eine Selbstverständlichkeit zu sein schien, muss dies bereits wenige Jahre später angesichts eines völlig geänderten Umfelds verwundern. Zum einen ist die Reform des International Accounting Standards Committee (IASC) zum IASB im Jahr 2001 zu nennen, zum anderen die deutlich stärkere Rolle Europas seit der Verabschiedung der EU-IAS-Verordnung[3] im Jahr darauf.

 

Rz. 27

Im Gegensatz zum IASC ist die Nachfolgeorganisation als Stiftung US-amerikanischen Rechts ausgestaltet und besitzt als solche keine Mitgliederbasis. Auch ist der fachlich tätige Board mit unabhängigen Experten besetzt, die keine formelle Verbindung zu nationalen Rechnungslegungsinstanzen oder berufsständischen Organisationen aufweisen.[4] Einer Vertretung von Deutschland, wie sie im Gesetz angelegt ist, wurde damit zumindest auf Ebene des die internationalen Standards setzenden IASB der Boden entzogen. Eine Mitwirkung i. S. e. Zuarbeit bleibt davon unberührt, sei es über direkte Kontakte zu den Mitgliedern des IASB bzw. den Mitarbeitern der Stiftung oder mittelbar über Stellungnahmen und Eingaben. Institutionell wurde eine Mitwirkung nationaler Standardsetzer erst seit 2013 im Accounting Standards Advisory Forum (ASAF) wieder möglich.[5] Schon der Bezeichnung nach ist die Tätigkeit als beratende Funktion ausgestaltet und beinhaltet keine darüber hinausgehenden Mitwirkungs-, Einbindungs- oder Entscheidungsrechte.[6] Das beratende Forum hat zwölf Mitglieder, die sich aus den vier Regionalorganisationen der EFRAG, der Grupo Latinoamericano de Emisores de Información Financiera (Glenif/GLASS), der Pan-African Federation of Accountants (PAFA) sowie der Asian-Oceanian Standard Setters Group (AOSSG) sowie acht nationalen Standardsetzern zusammensetzen.[7] Das DRSC war Gründungsmitglied und behielt seinen Sitz bis 2018. Nach einer zwischenzeitlichen Mitgliedschaft im IFRS Advisory Council, der den IASB und die Treuhänder der Stiftung in Fragen der strategischen Ausrichtung und nicht bei der Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften berät,[8] ist das DRSC seit dem Frühjahr 2022 wieder im ASAF vertreten.

 

Rz. 28

Hinsichtlich der Rolle des DRSC bei dem im November 2021 von der IFRS-Stiftung gebildeten ISSB gelten grds. die gleichen Aussagen wie zum IASB. Das ISSB hat sich zum Ziel gesetzt globale Mindeststandards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten, die auch in die Erarbeitung von EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung einfließen sollen. Eine EU-weite Berücksichtigung globaler Mindeststandards wird in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten breit unterstützt.[9] Eine Besonderheit hinsichtlich der Stellung des DRSC ergibt sich daraus, dass die IFRS-Stiftung i. R. e. Multi-Location-Ansatzes als Sitz des ISSB und des ISSB Chairman die Stadt Frankfurt am Main bestimmt hatte. Insofern unterstützte das DRSC aktiv die Ansiedlung des ISSB in Frankfurt am Main. Hierzu hatte das DRSC im April 2022 gemeinsam mit anderen Unterstützern aus Privatwirtschaft und öffentlicher Hand ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, welches die entsprechenden Absichten von deutscher Seite und seitens der IFRS-Stiftung umreißt. In diesem Zusammenhang dient das DRSC auch als Sammelstelle für die deutschen Finanzierungsbeiträge für das ISSB von privater Seite – ähnlich der Rolle, die dem DRSC für die deutsche Finanzierung des IASB zukommt. Diese Rolle als Sammelstelle gewährt jedoch keine unmittelbaren Mitspracherechte bzgl. der Organisation oder inhaltlichen Arbeiten des ISSB. Im Mai 2022 hat das ISSB – ähnlich dem ASAF – die Einrichtung eines beratenden Forums, das Sustainability Standards Advisory Forum (SSAF), bekanntgegeben. Das DRSC strebt an, im SSAF Mitglied zu werden.

 

Rz. 29

Auch auf EU-Ebene stellt sich die Gemengelage mittlerweile grundlegend anders dar als zu der Zeit, in der Kap...

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