Rz. 77

Hierunter sind solche Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung zu erfassen, die sich nicht unmittelbar auf die Rechnungslegung beziehen. Es sind bereits solche Tatsachen berichtspflichtig, die einen substanziellen Hinweis auf schwerwiegende Verstöße enthalten, ohne dass der Abschlussprüfer eine abschließende rechtliche Würdigung zu treffen hat.[1]

 

Rz. 78

Derartige Verstöße betreffen Gesetze, die das Unt oder deren Organe als solche verpflichten oder i. R. d. Tätigkeit der gesetzlichen Vertreter als Arbeitnehmer für die Ges. anfallen.[2] Demgegenüber sind Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer, die deren Privatbereich betreffen, nicht von der Berichtspflicht erfasst. Beispiele für berichtspflichtige Gesetzesverstöße sind:

  • Verstoß gegen Vorschriften der Kapitalerhaltung (z. B. entgegen § 92 Abs. 2 AktG, § 49 Abs. 3 GmbHG keine Einberufung einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung bei Verlust i. H. v. 50 % des Grund- bzw. Stammkapitals),
  • Verstoß gegen Aufstellungsvorschriften (z. B. Nichtaufstellung eines Konzernabschlusses),
  • Verstoß gegen Offenlegungsvorschriften,
  • bei börsennotierten Unt: Tatsachen, die erkennen lassen, dass die nach § 161 AktG abgegebene Entsprechenserklärung zum DCGK inhaltlich unzutreffend ist,
  • Maßnahmen der Geschäftsführung, die ohne die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats durchgeführt werden (zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte),
  • Nichtdurchführung einer erforderlichen Pflichtprüfung nach § 316 HGB des Vorjahresabschlusses (und damit Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses),
  • Verstöße gegen das Geldwäschegesetz, Steuergesetze, Insolvenzrecht, Strafrecht (z. B. Untreue), BetrVG, MitbestG,
  • Nichterstellung oder Nichtveröffentlichung eines Entgeltberichts nach § 21 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG.
 

Rz. 79

Bei Abschlussprüfungen von PIE besteht aufgrund Art. 11 Abs. 1 EU-APrVO eine entsprechende Berichterstattungspflicht. Im Unterschied zu § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB beschränkt sich die dortige Berichterstattungspflicht nicht auf Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern. Entscheidend ist vielmehr, ob die Berichterstattung für den Prüfungsausschuss für die Wahrnehmung seiner Aufgaben relevant ist.[3]

 

Rz. 80

Soweit der Abschlussprüfer bedeutsame Schwächen in den nicht auf den Jahresabschluss oder Lagebericht bezogenen Bereichen des internen Kontrollsystems festgestellt hat, hat er hierüber ebenfalls nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB zu berichten.[4]

Es wird empfohlen in derartigen Fällen darauf hinzuweisen, dass diese Schwächen zwar als Ergebnis der Prüfungshandlungen festgestellt wurden, die Prüfung aber nicht darauf gerichtet ist, das interne Kontrollsystem unbeschadet einer Erweiterung des Prüfungsauftrags weitergehend zu beurteilen, als dies für die Beurteilung von Jahresabschluss und Lagebericht erforderlich ist.[5]

[1] Vgl. BT-Drs. 14/8769 v. 11.4.2002 S. 28.
[2] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. M Tz 260.
[3] Vgl. IDW PS 450.P50/1 n. F.
[4] Vgl. IDW PS 261.93 n. F.
[5] Vgl. IDW PS 450.50a n. F.

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