Rz. 124

Der Beginn des Schwebezustands erfolgt regelmäßig bei Vertragsabschluss. Ist der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung, z. B. Gremienvorbehalt, geschlossen, ist wie folgt zu differenzieren:[1]

 

Rz. 125

  • Liegt die aufschiebende Bedingung im Einflussbereich des Bilanzierenden, ist dieser im Regelfall nicht an sein Angebot gebunden. Liegt allerdings ein faktischer Zwang vor, der den Gremienvorbehalt dominiert, ist, auch wenn zivilrechtlich noch kein schwebendes Geschäft vorliegt, bilanzrechtlich von einem schwebenden Geschäft auszugehen.
 
Praxis-Beispiel

Ein Unt schließt mit einem Architekten einen Vertrag zur Planung eines aufwendigen Bürohauses. Der Architekt hat sich zuvor in einem Architektenwettbewerb gegen mehrere Konkurrenten durchgesetzt. Der Vertrag unterliegt der Zustimmung des Aufsichtsrats des Unt; diese wird im Januar 02 erteilt.

Zum 31.12.01 besteht zivilrechtlich noch kein schwebendes Geschäft. Da sich das Unt für den Fall der Nichtzustimmung durch den Aufsichtsrat einer Schadensersatzklage des Architekten aufgrund des gewonnenen Architektenwettbewerbs ausgesetzt sehen würde, ist bilanzrechtlich bereits zum 31.12.01 von einem schwebenden Geschäft auszugehen und bei Vorliegen eines Verpflichtungsüberhangs eine Rückstellung für drohende Verluste zu bilden.

 

Rz. 126

  • Liegt die aufschiebende Bedingung im Einflussbereich des Vertragspartners, so hat der Bilanzierende aufgrund des Vorsichtsprinzips davon auszugehen, dass es sich bei einem für ihn nachteiligen Geschäft bereits um ein schwebendes Geschäft handelt.
 
Praxis-Beispiel

Ein Unt bestellt im Dezember 01 bei seinem Lieferanten dringend benötigte Ersatzteile für eine Maschine. Der Lieferant hat den Vertrag unter die aufschiebende Bedingung der Lieferbereitschaft eines Vorlieferanten gestellt. Der Vorlieferant erklärt im Januar 02 dem Lieferanten seine Lieferbereitschaft.

Das Unt hat im Jahresabschluss 01 diesen Vorgang wie ein schwebendes Geschäft zu behandeln, da die aufschiebende Bedingung nicht in seinem Einflussbereich liegt. Soweit aus dem schwebenden Geschäft ein Verpflichtungsüberhang droht, ist demzufolge eine Rückstellung für drohende Verluste zu passivieren.

 

Rz. 127

Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen einem zu berücksichtigenden bindenden Angebot des Bilanzierenden (aufschiebende Bedingung im Einflussbereich des Vertragspartners), mit dessen Annahme unter den Umständen des Sachverhalts zu rechnen ist, und bloßen Absichtserklärungen schwierig sein. Die in der Praxis häufig zu beobachtenden letter of intent bzw. memorandum of understanding stellen zumeist bloße Absichtserklärungen dar, die keine Bindungswirkung entfalten.[2] Hiermit werden zumeist Rahmenbedingungen von Verhandlungen (Exklusivität, Verschwiegenheit, zeitliche Restriktionen) und grds. Verständnis vom Kaufgegenstand und erwarteter Preisspanne zwischen Anbieter und Interessent vereinbart.[3] Allerdings sind mit diesen Begriffen z. T. recht unterschiedliche Vereinbarungen verknüpft, sodass im Einzelfall auf die jeweiligen Absprachen abgestellt werden muss.

 

Rz. 128

Das Ende des Schwebezustands wird durch die Erfüllung der Sachleistung bestimmt, d. h. die Lieferung der Ware, die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung etc.

 

Rz. 129

Ohne Auswirkung auf die Beendigung des Schwebezustands sind zwischenzeitlich erfolgte Zahlungen. Hierbei handelt es sich um Anzahlungen (= tw. Erfüllung der Gegenleistung vor der Sachleistung) oder Vorauszahlungen (= vollständige Erfüllung der Gegenleistung vor der Sachleistung), die bilanziell als geleistete bzw. erhaltene Anzahlungen zu erfassen sind.[4]

[1] Vgl. IDW RS HFA 4.8, 4.9.
[2] Vgl. IDW RS HFA 4.10.
[3] Vgl. Schubert, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz 91.
[4] Vgl. IDW RS HFA 4.12.

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