Rz. 61

Eine Einschränkung ist nach § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB geboten, wenn Einwendungen gegen die Rechnungslegung zu erheben sind und eine Versagung nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 62

Ob ein festgestellter Verstoß die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bewirken kann, hat grds. keine Auswirkung darauf, ob eine Einschränkung oder eine Versagung vorzunehmen ist. Die notwendigen Schlussfolgerungen haben die Adressaten der Rechnungslegung zu ziehen; der Bestätigungsvermerk weist "lediglich" auf einen bestehenden Mangel hin.[1] Allerdings wird ein die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bewirkender Verstoß wohl regelmäßig als so schwerwiegend anzusehen sein, dass der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk einschränkt.[2]

 

Rz. 63

Nicht jede Beanstandung, die der Abschlussprüfer bei seiner Abschlussprüfung zur Rechnungslegung feststellt, begründet eine Einschränkung. Die Beanstandung muss das Wesentlichkeitskriterium erfüllen, um zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks zu berechtigen. Ob das Wesentlichkeitskriterium erfüllt ist, hat der Abschlussprüfer dabei nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen.[3]

 

Rz. 64

Das Wesentlichkeitskriterium dürfte insb. dann erfüllt sein, wenn die Beanstandung wegen ihrer relativen Bedeutung zu einer unzutreffenden Beurteilung der Rechnungslegung führen kann.[4] Die Wesentlichkeit einer Beanstandung lässt sich somit häufig mittels einer quantitativen Komponente, d. h. der Relation zwischen der Auswirkung eines Fehlers und einer sinnvollen Bezugsgröße, ermitteln. Darüber hinaus kann bei Verstößen gegen besonders bedeutsame Einzelvorschriften das Wesentlichkeitskriterium mittels der qualitativen Komponente erfüllt sein. Zu beachten ist weiterhin, dass mehrere für sich genommen unwesentliche Mängel in ihrer Gesamtheit wesentlich sein können, sodass eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks geboten ist.[5]

 

Rz. 65

Aufgrund seiner Treuepflicht hat der Abschlussprüfer festgestellte Unrichtigkeiten zunächst der Gesellschaft anzuzeigen und zur Berichtigung der Mängel aufzufordern.[6] Werden fehlerhafte Ansatz-, Gliederungs- oder Bewertungsentscheidungen sowie Anhang- oder Lageberichtsangaben bis zum Prüfungsende korrigiert, führt dies nicht zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks. Gleiches gilt für Vorjahresmängel, soweit die Durchführung der Korrektur im zu prüfenden Abschluss nicht zu beanstanden ist.[7]

 

Rz. 66

Inwieweit das Kriterium der Wesentlichkeit auch für Anhangangaben gilt, ist nicht in allen Fällen eindeutig. I. R. d. Umsetzung des ISA-Wesentlichkeitskonzepts ist bzgl. Anhangangaben zwischen originären Informationen und Aufgliederungen bzw. Erläuterungen von Bilanz- oder GuV-Posten zu unterscheiden. Originäre Informationen sind solche, die originär nur im Anhang zu machen sind, während Aufgliederungen bzw. Erläuterungen dem besseren Verständnis eines Bilanz- oder GuV-Postens dienen. Wird weiter differenziert zwischen quantitativen und qualitativen Angaben, ergibt sich folgende Übersicht, anhand derer das Erfordernis einer Einschränkung beurteilt werden kann:[8]

 
Anhang/Konzernanhang Originäre Anhangangabe Aufgliederung bzw. Erläuterung von Bilanz- oder GuV-Posten
Quantitative Angaben

Unterlassene Angabe, die Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gewährt:

Würdigung unter Berücksichtigung der Entscheidungsrelevanz für die Adressaten

Unterlassene Angabe, die anderen Einblickszielen dient:

grds. wesentlich

Fehlerhafte Angaben:

Würdigung unter Berücksichtigung der Entscheidungsrelevanz für die Adressaten und der Bedeutung der verletzten Rechtsnorm

Bilanz- oder GuV-Posten unwesentlich:

Unterlassene oder fehlerhafte Anhangangaben sind grds. unwesentlich

Bilanz- oder GuV-Posten wesentlich:

  • Unterlassene Anhangangaben sind grds. wesentlich
  • Fehlerhafte Anhangangaben: Würdigung unter Berücksichtigung der Entscheidungsrelevanz für die Adressaten
Qualitative Angaben

Unterlassene Angabe, die anderen Einblickszielen dient:

grds. wesentlich

unvollständige oder fehlerhafte Details:

Nur dann nicht wesentlich, wenn zweifelsfrei unbeachtlich
 
Praxis-Beispiel

Bei der Prüfung des Anhangs einer großen GmbH stellt der Abschlussprüfer fest, dass die nach § 285 Nr. 4 HGB erfolgte Aufgliederung der Umsatzerlöse nach geographisch bestimmten Märken fehlerhaft ist. Die im Anhang erfolgte Aufgliederung und die nach den Feststellungen des Abschlussprüfers zutreffende Aufgliederung stellen sich wie folgt dar:

 
  Anhang zutreffend
Inland 80 TEUR 82 TEUR
Ausland 20 TEUR 18 TEUR
Gesamt 100 TEUR 100 TEUR

Es handelt sich um einen Verstoß gegen § 285 Nr. 4 HGB, der aber nach Einschätzung des Abschlussprüfers nicht wesentlich ist. Eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks ist nach dem Ermessen des Abschlussprüfers daher nicht erforderlich.

 

Rz. 67

Der Anwendungsbereich der quantitativen Wesentlichkeitsbetrachtung im Anhang ist vergleichsweise weit. Weitere mögliche Anwendungsfälle können z. B. sein:

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