Rz. 77

Soweit ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 323 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB erfolgt, haftet der verpflichtete Personenkreis (Rz 20) nach Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift der geprüften Gesellschaft. Ebenso wie bei den Pflichten des Abschlussprüfers beschränkt sich die Haftung nicht auf die Parteien des Prüfungsvertrags, sondern bezieht ausdrücklich mit ein:

  • den Abschlussprüfer,
  • die Gehilfen des Abschlussprüfers (Rz 22),
  • im Fall einer WPG/BPG die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter (Rz 23).
 

Rz. 78

Die genannten Personen haften nach § 323 Abs. 1 Satz 4 HGB als Gesamtschuldner i. S. v. § 421 BGB, sodass auch die Haftungshöchstsummen nur einmal in Anspruch genommen werden können (Rz 103).

 

Rz. 79

Eine Haftung kommt in Betracht, soweit von dem o. g. Personenkreis ein Pflichtverstoß vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wurde. Kann Vorsatz nachgewiesen werden, entfällt die Haftungsbegrenzung nach § 323 Abs. 2 HGB (Rz 93) und es kommen strafrechtliche Konsequenzen in Betracht. Die Abgrenzung zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz kann im Einzelfall schwer fallen, hat allerdings besondere Bedeutung wegen der Folgen auf die Haftungsbegrenzung.[1] Bei umstrittenen Rechtsfragen hat sich der Abschlussprüfer an der h. M., d. h. v. a. an einer höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung zu orientieren.[2]

 

Rz. 80

Wann ein solcher Pflichtverstoß vorliegt, bestimmt sich nach einem objektiven Maßstab; auf subjektive Vorstellungen des Geschädigten kommt es nicht an.[3] Hat sich der o. g. Personenkreis so verhalten, wie es kompetente Fachleute als sachgerecht empfohlen haben, kann diesen i. d. R. kein Vorwurf einer Pflichtverletzung gemacht werden (zur Verbindlichkeit von IDW PS vgl. Rz 30).

 

Beispiele für derartige Pflichtverletzungen sind:

  • Der Abschlussprüfer verzichtet generell auf die Einholung einer Saldenbestätigung,
  • i. R. e. Stichprobe aufgedeckte Fehler führen nicht zu einer Intensivierung der Prüfung bei diesem Prüffeld.
 

Rz. 81

Im Haftungsprozess trägt der Antragssteller, d. h. die geprüfte Ges., die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung. Die Grundsätze des sog. Anscheinbeweises (Ableitung einer Pflichtverletzung aus der Tatsache des Schadenseintritts) sind aufgrund der Komplexität einer Abschlussprüfung nur in Ausnahmefällen anwendbar.[4]

 

Rz. 82

Eine Schadensersatzpflicht des Abschlussprüfers setzt neben der Pflichtverletzung die hieraus verursachte Entstehung eines Schadens i. S. e. Vermögensminderung voraus (Kausalität).[5] Beispiele für eine derartige Vermögensminderung sind:

  • Anstatt eines richtigerweise auszuweisenden Bilanzverlusts erteilt der Abschlussprüfer einer AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk zu einem Jahresabschluss, der einen Bilanzgewinn ausweist. Soweit die Hauptversammlung eine Ausschüttung beschließt und die Ausschüttung von den Aktionären nicht zurückverlangt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG), kann ein Schaden entstanden sein.
  • Sind Verstöße von Mitarbeitern der geprüften Ges. aufgetreten, die zu einer Vermögensschädigung der Ges. geführt haben, und hat der Abschlussprüfer diese nicht erkannt, obwohl er sie bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte erkennen müssen, kann hierin ebenfalls eine Schadenskausalität begründet liegen.[6]
  • Der Abschlussprüfer erteilt ungerechtfertigterweise einen modifizierten (eingeschränkten) Bestätigungsvermerk oder einen Versagungsvermerk. Als Folge erhält die geprüfte Gesellschaft nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen Fremdkapital.
 

Rz. 83

Der Abschlussprüfer kann gem. § 254 Abs. 1 BGB der geprüften Ges. etwaiges Mitverschulden entgegenhalten.[7] Ein Mitverschulden kann zum vollständigen oder tw. Wegfall der Schadensersatzpflicht des Abschlussprüfers führen. In derartigen Konstellationen wird es daher regelmäßig auf den Grad des Mitverschuldens im Einzelfall ankommen. Während bei einer Täuschung des Abschlussprüfers durch Organe oder Mitarbeiter der geprüften Ges. das Mitverschulden als schadensursächlich anzusehen ist, ist in Fällen leichter Fahrlässigkeit beider (sowohl der Abschlussprüfer als auch die geprüfte Ges. verletzen ihre Sorgfaltspflichten) wohl eher ein überwiegendes Verschulden des Abschlussprüfers anzunehmen, insb. wenn es um die Beurteilung bilanzieller Sachverhalte geht.[8]

 

Rz. 84

Neben § 323 HGB gibt es weitere mögliche Anspruchsgrundlagen des Auftraggebers gegen den Abschlussprüfer. Bzgl.Ansprüchen aus den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Haftungstatbeständen für vertragliche Leistungsstörungen und deliktischer Haftung nach §§ 823 ff. BGB wird tw. die Auffassung vertreten, dass diese durch das "Sonderrecht" aus § 323 HGB verdrängt werden.[9] Die für Architekten, Rechtsanwälte und Steuerberater entwickelten Grundsätze zur sog. Sekundärhaftung sind für als Abschlussprüfer tätige Wirtschaftsprüfer nicht anwendbar.[10]

[1] Vgl. Justenhoven/Feldmüller, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 323 HGB Rz 101.
[2] Vgl. Bärenz, BB 2003, S. 1781 f.
[3] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 1...

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