Rz. 141

§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB verlangt im Zuge der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen VG und Schulden die Beibehaltung der auf den vorhergehenden Abschluss angewandten Bewertungsmethoden. Die Bilanzrichtlinie 2013/34/EU spricht dagegen formal von Rechnungslegungsmethoden und Bewertungsgrundlagen. Eine Übernahme der Formulierung aus der EU-Bilanzrichtlinie im Zuge des BilRUG ist insofern nicht erfolgt. Die daraus mitunter geforderte Ausweitung der Bewertungsstetigkeit auf "... jedwede angewandten Prinzipien und Praktiken, grundlegenden Überlegungen und getroffenen Konventionen, für die sich der Rechnungslegende bei der Aufstellung des Jahresabschlusses entscheidet ..."[1] kann daraus u. E. nicht abgeleitet werden. Vor dem Hintergrund der bereits zuvor vorliegenden Unklarheiten hinsichtlich der Trennung von Bewertungsmethoden und methodenfreien Vorgehensweisen (Rz 145 ff.) und der ohnehin weiten Auslegung des Begriffs "Bewertungsmethoden" sind u. E. keine Fälle ersichtlich, in denen die bislang praktizierte Herangehensweise der Formulierung der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU widerspricht. Die Fälle methodenfreier Vorgehensweisen i. R. d. Bewertung (Rz 145 ff.) sind u. E. von dem Begriff "Bewertungsgrundlagen" ebenfalls nicht umfasst. Überdies wurde die Formulierung – mitunter nicht zuletzt deshalb – nicht in das HGB übernommen.

Der auf die Bewertung begrenzte Regelungsinhalt deckt sich mit der korrespondierenden ansatzbezogenen Vorschrift des § 246 Abs. 3 HGB (§ 246 Rz 134 ff.). Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit dient – wie auch die Vorgabe zur Beibehaltung der Ansatzmethoden – dazu, die Vergleichbarkeit zweier aufeinander folgender Jahresabschlüsse sicherzustellen bzw. zu verbessern.[2] Letztlich steht hinter dem Grundsatz auch das Ziel der Vermeidung bilanzpolitischer Maßnahmen zur Beeinflussung der Darstellung der Ertragslage mittels Variierung der Bewertungsmethoden. Der Stetigkeitsgrundsatz ist zwar explizit auf VG und Schulden begrenzt. Rechnungsabgrenzungsposten, latente Steuern und Sonderposten (etwa infolge der Übergangsregelungen der Art. 66, 67 EGHGB oder der in der Handelsbilanz weiterhin ansatzfähigen Sonderposten[3]) sollten vom Regelungszweck ausgehend dennoch sinnvollerweise stetig i. S. v. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB bewertet werden.[4]

Daraus ergibt sich, dass die Wahl der Bewertungsmethoden im Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung eines (neuen) Sachverhalts erheblichen Einfluss auf die künftige Darstellung der Ertragslage hat. Zwar stellt § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB jeweils nur auf zwei aufeinanderfolgende Jahresabschlüsse ab, in der zeitlichen Reihe ergibt sich daraus jedoch letztlich die Vorgabe zur Beibehaltung der erstmaligen Bewertungsmethodenwahl innerhalb gleichartiger Sachverhalte, sofern diese über den gesamten Betrachtungszeitraum durchgehend vorlagen (Rz 142 ff.) und/oder sich keine Durchbrechung in einem Ausnahmefall ergeben hat.

 

Rz. 142

Das Stetigkeitsgebot kennt dabei sowohl eine zeitliche (stetig von Jahr zu Jahr) als auch eine sachliche Perspektive (stetig innerhalb eines Bewertungsobjekts bzw. gleichartiger Sachverhalte). Jenseits der Ausnahmefälle i. S. d. § 252 Abs. 2 HGB (Rz 155 ff.) sind gleichartige Sachverhalte entsprechend stetig zu bewerten – ob VG und Schulden auf Ebene der einzelnen Bewertungsobjekte bereits im Vj vorhanden waren oder nicht, spielt dabei nach h. M. keine Rolle.[5] Es kommt vielmehr darauf an, ob im Vj bereits art- und funktionsgleiche[6] Bewertungsobjekte existent waren. Lagen im vorhergehenden Abschluss art- und funktionsgleiche Bewertungsobjekte vor, sind auch im laufenden Gj neu zugegangene Bewertungsobjekte unter Rückgriff auf die Bewertungsmethoden zu bewerten, die auf die art- und funktionsgleichen Bewertungsobjekte angewendet wurden. Ohne die sachliche Perspektive der Bewertungsstetigkeit würde der Grundsatz regelmäßig ins Leere laufen[7], was anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden soll.

 
Praxis-Beispiel

Sachliche Perspektive der Bewertungsstetigkeit I

Sachverhalt

Der Hersteller von Elektrofahrzeugen M hat Anfang des laufenden Gj mit der Produktion der neuen Fahrzeuggeneration begonnen. Das Modell soll die nächsten fünf Jahre produziert werden. Die neue Karosserie bezieht M vom Autoteilezulieferer C. M plant einen stets verfügbaren Mindestbestand an Karosserien von 50 Stk. zur Sicherung der Wochenproduktion. Ansonsten werden die Karosserien just in time geliefert. Der Mindestbestand wird erstmals am 2.1. des laufenden Gj aufgefüllt. Die Produktion des Altmodells wurde am 15.12. des vorhergegangenen Gj eingestellt. Der Bestand an Altkarosserien wurde im vorhergegangenen Gj vollends verbraucht.

Beurteilung unter Berücksichtigung der sachlichen Perspektive

Da es sich bei der Karosserie des Altmodells und der der neuen Modellvariante um art- und funktionsgleiche Bewertungsobjekte handelt, ist die neue Karosserie unter Anwendung der auf die Altkarosserie angewandten Methoden zu bewerten. Eine abweichende Anwendung von Bewertungsmethoden...

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