Rz. 52

Bei der bilanziellen Berücksichtigung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen sind bestehende steuerliche Restriktionen in der Nutzung dieser steuerlichen Verlustvorträge zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl im Fall der Aktivierung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen als auch im Fall der Saldierung mit passiven Steuerlatenzen im Zug der Gesamtdifferenzenbetrachtung. Derartige steuerliche Restriktionen gibt es im deutschen Steuerrecht, aber auch in einer Vielzahl anderer Steuerjurisdiktionen.

 

Rz. 53

Eine in Deutschland bestehende Restriktion ist die sog. Mindestbesteuerung, die sowohl bei der KSt (§ 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG) als auch bei der GewSt (§ 10a Satz 1 und 2 GewStG) zu beachten ist. Danach dürfen bestehende Verlustvorträge (d. h. solche Beträge, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG rückgetragen wurden bzw. nach deren Rücktrag bis zu 10 Mio. EUR verblieben sind) nur bis zur Höhe von 1 Mio. EUR (Freibetrag) unbegrenzt mit steuerpflichtigen Gewinnen verrechnet werden; darüber hinausgehende steuerpflichtige Gewinne sind nur i. H. v. 60 % mit dem Verlustvortrag verrechenbar, d. h., 40 % des den Freibetrag übersteigenden steuerpflichtigen Einkommens führen tatsächlich zu einer Steuerfestsetzung (sog. Mindestbesteuerung). Der auf diese Weise z. T. nicht genutzte steuerliche Verlustvortrag verfällt nicht, sondern kann weiter vorgetragen werden. Der Freibetrag gilt für jeden Veranlagungszeitraum. Regelungen zur Mindestbesteuerung existieren auch in anderen Ländern, z. B. in Frankreich.

 

Rz. 54

Eine in Deutschland (bislang) nicht bestehende Restriktion betrifft den zeitlichen Verfall von steuerlichen Verlustvorträgen. In einer Reihe von Ländern sind steuerliche Verlustvorträge nur eine begrenzte Anzahl von Jahren nach Anfall des Verlustes nutzbar, danach verfallen sie. Dies ist bei der Aktivierung von Vorteilen aus diesen steuerlichen Verlustvorträgen zu berücksichtigen, sodass nur die innerhalb der gesetzten Frist tatsächlich zu erwartende Nutzung aktiviert werden darf.

 
Praxis-Beispiel

Die deutsche AG hat eine Betriebsstätte in Florida (USA), die im handelsrechtlichen Jahresabschluss der AG einbezogen ist. In den VG, Schulden und RAP der amerikanischen Betriebsstätte sind annahmegemäß keine temporären Differenzen enthalten. Am Abschlussstichtag besteht allerdings ein steuerlicher Verlustvortrag der amerikanischen Betriebsstätte i. H. v. 1.000 TEUR, der bei einem angenommenen Steuersatz von 20 % eine zukünftige Steuerersparnis von 200 TEUR repräsentiert. Die Nutzung des steuerlichen Verlustvortrags sei auf fünf Jahre zeitlich begrenzt. Im Wege einer vorsichtigen Schätzung wird für die nächsten fünf Jahre ein positives steuerpflichtiges Einkommen der Betriebsstätte i. H. v. insgesamt 550 TEUR prognostiziert. Es dürfen somit nur 550 TEUR × 20 % = 110 TEUR aktiviert werden.

 

Rz. 55

Ein ebenfalls häufig anzutreffender Fall ist die Beschränkung der Nutzung von steuerlichen Verlustvorträgen durch Gesellschafterwechsel der bilanzierenden Ges. In Deutschland existieren hierzu Regelungen für die KSt in § 8c KStG, die auch für die GewSt Anwendung finden (§ 10a Satz 10 GewStG). Danach erfolgt ein Wegfall des Verlustvortrags, wenn im Zuge des Gesellschafterwechsels mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile wechseln.[1] Allerdings hat der Gesetzgeber durch den fortführungsgebundenen Verlustvortrag (§ 8d KStG) Möglichkeiten eröffnet, den Wegfall der steuerlichen Verlustvorträge bei Gesellschafterwechsel zu vermeiden. Diese steuerlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den steuerlichen Verlustvortrag, sondern auch für Zinsvorträge aus der Zinsschrankenregelung (Rz 59). Aus diesen steuerlichen Regelungen ergeben sich für die Bilanzierung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen eine Reihe von Zweifelsfragen. Anknüpfend an die zu IAS 12 entwickelten Grundsätze wäre eine Bilanzierung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen möglich, wenn mehr für als gegen die Nutzung der Verlustvorträge spricht.[2] Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Nutzbarkeit etwas vage lediglich auf das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zurückgezogen. Daraus abzuleiten, angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts seien steuerliche Verlustvorträge per se unsicher, wäre nach der hier vertretenen Auffassung aber zu weitgehend.

 
Praxis-Beispiel

Die GmbH verfügt zum 31.12.01 über einen körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag von 100 TEUR. In Ausübung des Ansatzwahlrechts von § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB hat die GmbH den steuerlichen Vorteil i. H. v. 30 % (kombinierter Steuersatz aus KSt, SolZ und GewSt) = 30 TEUR aktiviert, da aufgrund der Ergebnis- und Steuerplanungen für die nächsten fünf Jahre steuerliche Gewinne in einer Größenordnung von 250 TEUR prognostiziert werden.

Im Oktober 02 werden 60 % der GmbH-Anteile von einem Gesellschafter veräußert. Die Voraussetzungen für eine Beibehaltung des Verlustvortrags nach § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG (Vorl...

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