2.4.1 Reichweite

 

Rz. 45

Die in § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB dem Abschlussprüfer auferlegte Verschwiegenheitspflicht ist ein zentraler Eckpfeiler zum Schutz der geprüften Ges. (Rz 7). Sie ist daher umfassend und weit auszulegen und bezieht sich grds. auf alles, was der Abschlussprüfer (und die übrigen der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Personen vgl. Rz 20) i. R. d. Durchführung der Abschlussprüfung bekannt geworden ist. Nur eine derartig weite Auslegung lässt das dem Abschlussprüfer zustehende Einblicks- und Informationsrecht i. S. v. § 320 HGB vertretbar erscheinen.[1] Auch die in § 43 WPO als allgemeine Berufspflicht bestehende Verschwiegenheitspflicht wird im Übrigen ähnlich weit ausgelegt (zum Verhältnis § 43 WPO zu § 323 HGB vgl. Rz 2).[2]

 

Rz. 46

Die Reichweite der Verschwiegenheitspflicht findet ihre Grenzen, wenn es um Sachverhalte geht, die allgemein bekannt oder jedermann ohne Weiteres zugänglich sind. Hierunter fallen solche Sachverhalte und Tatsachen, die von der geprüften Ges. offiziell bekannt gemacht (z. B. im BAnz) oder in Form von Presseberichten, Pressemitteilungen erkennbar von der Ges. veranlasst oder bestätigt worden sind.[3] Ohne Weiteres zugänglich sind Informationen, die im Handelsregister eingetragen sind oder von der geprüften Ges. auf ihrer Internetseite publiziert werden. Nicht ohne Weiteres zugänglich sind Eintragungen im Grundbuch, da hier eine Einsichtnahme nur bei berechtigtem Interesse möglich ist (§ 12 Abs. 1 GBO). Entscheidend für die Reichweite der Verschwiegenheit ist weiterhin der wirkliche oder mutmaßliche Wille der geprüften Ges., bestimmte Informationen nicht an Dritte weiterzugeben. Im Zweifel ist vom Bestehen der Verschwiegenheitspflicht auszugehen.

 

Rz. 47

§ 10 BS WP/vBP konkretisiert die Anforderungen von § 43 WPO. Die in § 10 Abs. 3 BS WP/vBP vorgenommene Klarstellung, dass die Verschwiegenheitspflicht auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses fortbesteht, gilt für § 323 HGB gleichermaßen. Da der Prüfungsauftrag mit Auslieferung von Bestätigungsvermerk und Prüfungsbericht abgeschlossen ist (§ 321 Rz 161), ist evident, dass dann nicht bereits die Verschwiegenheitspflicht enden kann. Es entspricht h. M., dass die Verschwiegenheitspflicht i. S. v. § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB keine zeitliche Begrenzung kennt.[4]

 

Rz. 48

Sie endet bspw. auch nicht durch Untergehen der geprüften Ges., z. B. durch Löschung im Handelsregister infolge einer Ablehnung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse (§ 26 Abs. 1 InsO i. V. m. § 394 Abs. 1 Satz 2 FGG). Im Fall einer Verschmelzung gehen die Ansprüche aus § 323 HGB auf die aufnehmende Ges. über, sodass auch nur diese Ges. den Abschlussprüfer erforderlichenfalls von der Verschwiegenheitspflicht entbinden kann (Rz 68).

 

Rz. 49

Die Verschwiegenheitspflicht besteht ggü. außenstehenden Dritten, dagegen nicht ggü. den vertretungsberechtigten Organen der Ges. selbst. Hieraus zu folgern, der Vorstand der zu prüfenden AG sei laufend über den Stand der Abschlussprüfung zu unterrichten, würde zu weit gehen, da hierdurch die Kontrollfunktion der Abschlussprüfung beeinträchtigt werden könnte. Gegenüber Mitarbeitern der geprüften Ges., die von deren gesetzlichen Vertretern als Auskunftspersonen bestimmt worden sind, ist der Abschlussprüfer mitteilungsberechtigt.[5]

 
Praxis-Beispiel

Der Geschäftsführer der prüfungspflichtigen GmbH hat dem Abschlussprüfer als Auskunftsperson den Buchhalter Fleißig benannt. Der Abschlussprüfer ist berechtigt, dem Fleißig mitzuteilen, für welche ausgewählte Debitoren und Kreditoren Saldenbestätigungen einzuholen sind.

 

Rz. 50

Gegenüber dem Aufsichtsrat oder dem Prüfungsausschuss der geprüften Ges. besteht keine Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers, da er diesem nach §§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG, 321 Abs. 5 Satz 2 HGB mündlich und schriftlich zu berichten hat.[6] Gleiches gilt bei einem überwachenden Aufsichtsrat einer GmbH bzw. vergleichbaren Überwachungsgremien bei Ges. anderer Rechtsformen.

 

Rz. 51

Ggü. Aktionären einer AG oder KGaA ist der Abschlussprüfer zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 176 Abs. 2 Satz 3 AktG). Gesellschafter einer GmbH haben dagegen gem. § 42a Abs. 3 GmbHG ein Auskunftsrecht gegen den Abschlussprüfer. Zu beachten ist, dass dieses Auskunftsrecht nicht den einzelnen Gesellschafter, sondern der Gesellschafterversammlung als Einheit zusteht. Einzelne Gesellschafter haben nur ein Auskunftsrecht gegen den Abschlussprüfer, wenn sie von der Gesellschafterversammlung dazu ermächtigt worden sind.

 

Rz. 52

Innerhalb des Prüfungsteams besteht keine Verschwiegenheitspflicht, da alle i. R. d. Prüfung beschäftigten Personen der Verschwiegenheitspflicht unterliegen (Rz 22). Für eine effiziente Prüfungsdurchführung sind eine umfassende und fortlaufende Information innerhalb des Prüfungsteams unerlässlich.

 

Rz. 53

Nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegt eine innerhalb der Prüfungsgesellschaft durchgeführte Konsultation (§ 39 Abs. 3 BS WP/vBP), z. B. mit einer Grundsatzabteilung. Auch die hier eingesetzten WP/vBP bzw. M...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge