Rz. 34

Entscheidendes Kriterium für die handelsrechtliche Bilanzierung von Leasingverträgen ist die Zurechnung des Leasinggegenstands. Handelsrechtlich existieren keine konkreten/eigenen Zurechnungskriterien. Damit erfolgt handelsrechtlich die Zurechnung nach den allgemeinen Grundsätzen zum zivilrechtlichen Eigentümer. Stimmen zivilrechtliche Gestaltung und wirtschaftlicher Gehalt eines Leasingvertrags jedoch nicht überein, erfolgt die Zurechnung nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Danach ist der Leasinggegenstand dem wirtschaftlichen Eigentümer (Rz 16 ff.) zuzurechnen.

 

Praxis-Beispiel[1]

1. Sachverhalt

Ein LG überlässt einen Leasinggegenstand dem LN über die gesamte wirtschaftliche Nutzungsdauer. Darüber hinaus erhält der LN eine günstige Kaufoption zum Ende der Vertragslaufzeit eingeräumt.

2. Sachverhalt

Ein LG überlässt einen Leasinggegenstand dem LN über die Hälfte der wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Nach Ablauf dieses Leasingvertrags wird ein Anschlussvertrag geschlossen, der die zweite Hälfte der wirtschaftlichen Nutzungsdauer sowie eine günstige Kaufoption umfasst.

Ergebnis:

1. Sachverhalt

Der LG ist erkennbar von Ertrag und Substanz ausgeschlossen. Darüber hinaus ist der LG auch von der Entscheidungsbefugnis über die Ertragserzielung und über die Verwendung der Substanz ausgeschlossen, da der Leasinggegenstand zum Zeitpunkt einer evtl. Nichtausübung der Option durch den LN bereits wirtschaftlich verbraucht ist. Es erfolgt eine Zurechnung zum LN.

2. Sachverhalt

Der LG ist auch hier während der wirtschaftlichen Nutzungsdauer von Ertrag und Substanz ausgeschlossen. Jedoch steht dies zum Beginn der wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht fest. Vielmehr hält sich der LG die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung offen. Es erfolgt zunächst eine Zurechnung zum LG. Mit Abschluss des zweiten Vertrags steht dagegen der Ausschluss des LG hinsichtlich Ertrag und Substanz fest. Fortan erfolgt die Zurechnung des Leasinggegenstands beim LN.

Aufgrund der Vielzahl an Möglichkeiten der Vertragsgestaltung ist keine allgemeingültige Aussage über die Zurechnung des Leasinggegenstands zu treffen. Vielmehr ist unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelfalls die Zurechnung des Leasingobjekts zu würdigen.[2]

 

Rz. 35

Die Zurechnung bei Operating-Leasingverträgen ist unstrittig. Der Leasinggegenstand wird dem Leasinggeber zugerechnet. Da der Vertrag ähnlich dem Mietvertrag eine Kündigungsmöglichkeit vorsieht, entscheidet der Leasingnehmer über die Nutzungsdauer. Die Entscheidungsbefugnis über die Art der Ertragserzielung sowie über die Verwendung der Substanz ist dem Leasinggeber definitionsgemäß nicht dauerhaft entzogen. Folglich trägt der Leasinggeber das Restwertrisiko.

 

Rz. 36

Ungleich komplexer ist die Zurechnung bei Finanzierungs-Leasingverträgen, da diese oftmals eine Mehrerlösbeteiligung oder eine Kauf- oder Mietverlängerungsoption des Leasingnehmers oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers aufweisen.

Mangels eigener handelsrechtlicher Vorschriften erfolgt die Zurechnung bei Finanzierungs-Leasingverhältnissen regelmäßig durch Rückgriff auf die steuerlichen Leasingerlasse, da diese auch dem allgemeinen handelsrechtlichen Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Rechnung tragen.[3] Das BMF systematisiert Leasingverträge in den steuerlichen Leasingerlassen nach der Art des Leasinggegenstands in Mobilienleasing (bewegliche Leasinggegenstände, Rz 38) und Immobilienleasing (unbewegliche Leasinggegenstände, Rz 48) sowie nach der Amortisation der Gesamtinvestitionskosten des Leasinggebers. Wird eine Amortisation der Gesamtinvestitionskosten nicht bis zum Ende der unkündbaren Vertragslaufzeit (Grundmietzeit) erreicht, handelt es sich um Teilamortisationsverträge.[4] Wird die volle Amortisation bereits während der unkündbaren Grundmietzeit erreicht, handelt es sich um Vollamortisationsverträge.[5] In den steuerlichen Leasingerlassen ist typisierend dargestellt, in welchen Fällen das wirtschaftliche Eigentum dem Leasinggeber bzw. dem Leasingnehmer zuzurechnen ist. Je nach Einzelfall kann jedoch eine andere Würdigung der Zurechnungsfrage sachgerecht sein. Die Kriterien der steuerlichen Leasingerlasse stellen somit lediglich Anhaltspunkte für die Zurechnungsfrage dar.

[1] Vgl. Mellwig/Weinstock, DB 1996, S. 2347.
[2] Vgl. Küting/Hellen/Brakensiek, BB 1998, S. 1467.
[3] Vgl. stellvertretend Mellwig/Weinstock, DB 1996, S. 2347; ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 246 HGB Rz 392; Justenhoven/Meyer, in Beck Bil-Komm, 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz 59; vgl. kritisch zur Anwendung der Leasingerlasse für Zwecke der handelsrechtlichen Zurechnung etwa Baetge/Ballwieser, DBW 1978, S. 8 ff.
[4] Vgl. BMF, Schreiben v. 22.12.1975, IV B 2 – S. 2170–161/75, DB 1975 S. 175; BMF, Schreiben v. 23.12.1991, IV B 2 – S. 2170–115/91, DB 1992 S. 112.
[5] Vgl. BMF, Schreiben v. 19.4.1971, IV B/2 – S. 2170–31/71, DB 1971 S. 795; BMF, Schreiben v. 21.3.1972, F/IV B 2 – S 2170–11/72, DB 1972 S. 651.

2.3.3.4.1 Spezialleasing

 

Rz. 37

Beim ...

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