Rz. 16

Nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB sind VG in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen. Nur wenn ein VG nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer, sondern einem anderen zuzurechnen ist, hat ihn der andere – der wirtschaftliche Eigentümer – in seiner Bilanz aufzunehmen. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung ist immer dann von Bedeutung, wenn rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen. Inhaltlich entspricht § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB der Regelung des § 39 AO.[1]

 

Rz. 17

Nach § 39 AO ist wirtschaftlicher Eigentümer grds. derjenige, der – ohne das rechtliche Eigentum haben zu müssen – die tatsächliche Sachherrschaft über einen VG in einer Weise ausübt, dass dadurch der nach bürgerlichem Recht Berechtigte wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung ausgeschlossen ist. Die tatsächliche Sachherrschaft über einen VG hat i. d. R. derjenige, bei dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten des betreffenden VG liegen. Diese Elemente müssen jedoch nicht kumulativ gegeben sein und sind nicht als gleichrangig zu verstehen; ihre wirtschaftliche Bedeutung ist von der Art des jeweiligen Gegenstands abhängig. Das wirtschaftliche Eigentum umfasst hiernach regelmäßig das Verwertungsrecht durch Nutzung oder Veräußerung des Gegenstands, die Chancen und Risiken aus der laufenden Nutzung und die Chance der Wertsteigerung sowie das Risiko der Wertminderung bzw. des Verlusts einschl. des Risikos des zufälligen Untergangs.[2] Der Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers von der Sachherrschaft muss für die gewöhnliche Nutzungsdauer des betreffenden VG gegeben sein. Maßgebend für den Zeitpunkt der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums ist der vereinbarte Übergang der Chancen und Risiken.

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmer (U) hat am 23.12.01 bei der X-GmbH Ware erworben. Die Lieferung erfolgte unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) am 30.12.01. Am gleichen Tag erhielt U eine Rechnung, die er am 12.1.02 beglichen hat. Wem ist die Ware am 31.12.01 bilanziell zuzurechnen?

Beim Eigentumsvorbehalt besitzt U zwar nicht das zivilrechtliche Eigentum an der Ware, er kann aber i. R. d. normalen Geschäftsbetriebs frei über sie verfügen. U besitzt die tatsächliche Sachherrschaft über die Ware und trägt das Risiko ihres Untergangs. Er ist als wirtschaftlicher Eigentümer der Ware zu betrachten und muss sie in seine Bilanz aufnehmen.

 

Rz. 18

Im Einzelfall richtet sich die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Danach kann wirtschaftliches Eigentum u. U. auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne seiner Merkmale nicht in vollem Umfang vorliegen. Es ist einzelfallbezogen nicht zwingend ausgeschlossen, dass sowohl der rechtliche als auch der wirtschaftliche Eigentümer einen VG bilanzieren.[3] Bei Zweifelsfragen zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums könnten sich beim Fehlen detaillierter und eigenständiger HGB-Rechnungslegungsnormen ergänzend die Auslegungshinweise in den IFRS anbieten.[4] Der Auslegung des HGB durch die IFRS sind jedoch enge Grenzen gesetzt (§ 243 Rz 6).

[1] Vgl. BT-Drs. 16/12407 v. 24.3.2009 S. 84.
[2] Vgl. IDW ERS HFA 13.7 n. F.
[3] Vgl. IDW ERS HFA 13.6 n. F. Zu einem Beispiel im Zusammenhang mit Pensionsgeschäften vgl. IDW ERS HFA 13.20 n. F.
[4] Ebenso Kirsch, StuB 2008, S. 458, und Lüdenbach/Hoffmann, DStR, Beihefter zu Heft 50/2007, S. 3 ff. Beachte aber die zurückhaltendere Formulierung des in BT-Drs. 16/10067 v. 30.7.2008 S. 34.

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