Rz. 43

Ein unsaldierter Ausweis eröffnet dem Bilanzleser einen besseren Einblick in die Vermögenslage der Ges. als die Anwendung der Gesamtdifferenzenbetrachtung, da es sich um die transparenteste und umfassendste Abbildung von Steuerlatenzen handelt. Dies ist auch die nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften verwendete Ausweismethode,[1] sodass der unsaldierte Ausweis nach § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB die weitestgehende Annäherung an die IFRS ermöglicht.

 

Rz. 44

Auch im Fall des unsaldierten Ausweises bezieht sich das Aktivierungswahlrecht von Abs. 1 Satz 2 ausschl. auf die die passiven latenten Steuern übersteigenden aktiven latenten Steuern (Aktivüberhang), nicht auf den Gesamtbetrag der aktiven latenten Steuern (Rz 28).

 
Praxis-Beispiel

Das Unt ermittelt aktive latente Steuern i. H. v. 100 EUR (abzugsfähige temporäre Differenzen in Pensionsrückstellungen) und passive latente Steuern i. H. v. 40 EUR (zu versteuernde temporäre Differenzen aus aktivierten selbst geschaffenen immateriellen VG des Anlagevermögens).

Das Unt kann bei einem unsaldierten Ausweis entweder sowohl aktive als auch passive latente Steuern i. H. v. jeweils 40 EUR ausweisen (Nicht-Aktivierung des Aktivüberhangs, Variante A) oder aktive latente Steuern von 100 EUR und passive latente Steuern von 40 EUR bilanzieren (Variante B). Der ausschl. Ansatz von 40 EUR passive latente Steuern wäre demgegenüber unzulässig.

 
Aktiva Variante A Passiva
       
           
Aktive latente Steuern   40 Passive latente Steuern   40
           
 
Aktiva Variante B Passiva
       
           
Aktive latente Steuern   100 Passive latente Steuern   40
           

Beide Varianten sind zulässig. Den zutreffenden Einblick in die Vermögenslage des Unt vermittelt Variante B, weshalb sie aus Sicht der Abschlussadressaten vorzugswürdig ist.

 

Rz. 45

Der unsaldierte Ausweis ist nach dem Temporary-Konzept theoretisch für jeden einzelnen Sachverhalt vorzunehmen. Dies stößt in der Praxis aufgrund des damit verbundenen Ermittlungs- und Fortführungsaufwands derartiger Differenzen oftmals an Belastungsgrenzen für die betroffenen Unt. Daher dürfte es praxisgerecht und sachlich vertretbar sein,[2] eine bilanzpostenbezogene Betrachtung vorzunehmen, auch wenn damit innerhalb eines Bilanzpostens auftretende aktive und passive Steuerlatenzen miteinander saldiert werden.[3]

 
Praxis-Beispiel

Der Bilanzansatz der Sonstigen Rückstellungen weicht zum 31.12.01 zwischen Handels- und Steuerbilanz um 500 EUR (Handelsbilanz > Steuerbilanz) voneinander ab. Ursache hierfür sind zum einen die in der Steuerbilanz nicht anzusetzende Rückstellung für drohende Verluste i. H. v. 800 EUR, zum anderen eine aufgrund der nur handelsrechtlich gebotenen Abzinsung gegenüber der Steuerbilanz niedrigere Gewährleistungsrückstellung, deren Anfall erst in drei Jahren erwartet wird (300 EUR).

Es ist zulässig, auf die bilanzpostenbezogene Differenz von 500 EUR insgesamt eine aktive Steuerlatenz auszuweisen.

 

Rz. 46

Auch bei einem unsaldierten Ausweis von latenten Steuern sind in den aktiven latenten Steuern zwei unterschiedliche Arten von Steuerlatenzen enthalten, nämlich abzugsfähige temporäre Differenzen und Steuerlatenzen auf steuerliche Verlustvorträge (Rz 47). Beides sind zukünftig entstehende Steuerforderungen, sodass es sich um keine Saldierung, sondern um einen zusammengefassten Ausweis handelt. Durch die Erläuterungspflichten im Anhang (§ 285 Nr. 29 HGB) erhält der Jahresabschluss-Leser Informationen darüber, welche Bestandteile in den aktiven latenten Steuern enthalten sind (§ 285 Rz 167 f.).

[1] Vgl. IAS 12.74. Danach kommt eine Saldierung von latenten Steueransprüchen und Steuerschulden nur unter sehr restriktiven Bedingungen in Betracht. In den allermeisten Fällen sind latente Steuern nach IFRS unsaldiert auszuweisen.
[2] Vgl. Wendholt/Wesemann, DB 2009, Beil. 5, S. 67.
[3] DRS 18.36 stellt allerdings auf die einzelnen VG, Schulden und RAP ab.

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