Rz. 38

Der Gesetzgeber hat eine Konkretisierung des Zeitraums unterlassen, für den die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit zutreffen muss, damit der gesetzlich unterstellte Regelfall eintritt. Höchstrichterlich wurde auf Basis der h. M.[1] festgelegt, dass sich der handelsrechtlich gebotene Zeitraum regelmäßig jedenfalls auf das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr zu beziehen hat.[2] Somit ist die Pflicht zur Prüfung der Fortführungsannahme jährlich revolvierend im Zusammenhang mit der Aufstellung des Jahresabschlusses vorzunehmen und hat im Regelfall ein Zwölf-Monats-Zeitfenster ab dem Abschlussstichtag zu umfassen. Bei der Beurteilung, ob von einer Fortführung des Unt auszugehen ist, sind nach dem Abschlussstichtag wertaufhellende und wertbegründende Sachverhalte zu berücksichtigen, die in der Zeit vom Abschlussstichtag bis zum Aufstellungszeitpunkt eingetreten sind.[3] D. h. aber keinesfalls, dass von diesem Zeitfenster nicht abgewichen werden darf. In Abhängigkeit der Situation des Unt, etwa bei Langfristfertigung oder sehr geringer Umschlagshäufigkeit der Vorräte,[4] sind Abweichungen möglich und mitunter geboten. Die verbreitet vertretene Auffassung, dass Abweichungen nach oben unkritisch, jene nach unten dagegen – wenn überhaupt – nur in extremen Ausnahmefällen gestattet sind,[5] ist letztlich trotz der höheren Unsicherheiten langfristiger Prognosen durch die klaren Vorgaben in IDW PS 270 n. F. zumindest für prüfungspflichtige Unt zu übernehmen, wenn ein Versagensvermerk verhindert werden soll. Unternehmerisches Risiko ist stets gegeben und Prognosen sind regelmäßig nur für Monate (hinreichend) sicher.[6] Dennoch kann bei einem Unt, welches nur für einen Sechs-Monats-Zeitraum eine hinreichend sichere Prognose erstellen kann, nicht von einer Unternehmensfortführung ausgegangen werden. Ein Abschlussprüfer wird nach IDW PS 270.18 n. F. die Unternehmensführung zu einer Ausweitung des Zeitraums auf zwölf Monate auffordern müssen, was analog auch von der Geschäftsführung nichtprüfungspflichtiger Unt zu fordern wäre. Ggf. ist über die dabei bestehenden Unsicherheiten dieser Ausweitung zu berichten.

 

Rz. 39

Unter hinreichend sicher bzw. überschaubar ist im Kontext des Prognosezeitraums eine Prognose auf Basis gesicherter Erkenntnisse losgelöst von bloßen Vermutungen zu verstehen.

Die handelsrechtliche Einschätzung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit blieb auch während der Corona-Pandemie bei dem Mindestzeitraum von zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag.[7]

[1] Statt vieler Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 16; Fülbier/Federsel, in Küting/Weber, HdR-E, § 252 HGB Rn 48, Stand: 6/2021.
[3] Ebenso IDW PS 270.7, 20, A10 n. F. und A10; Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 16 f.
[4] Vgl. Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 16.
[5] So Fülbier/Federsel, in Küting/Weber, HdR-E, § 252 HGB Rn 48, Stand: 6/2021. Mindestens zwölf Monate fordernd IDW PS 270.18 n. F.
[6] Ähnlich Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 59, Stand: 10/2011; Neu/Senger, GmbHR 2021, S. 518.
[7] Vgl. IDW PS 270.18 n. F.; Pföhler/Knappe, WPg 2021, S. 357.

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