Rz. 34

Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dieser nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Der vom Gesetz damit unterstellte Regelfall wird auch als going-concern-Prämisse/Prinzip bezeichnet. Dem Prinzip zufolge sind die VG und Schulden gem. ihrer tatsächlich beabsichtigten bzw. planmäßigen Verwertung abzubilden, die sich bei normaler Geschäftstätigkeit ergibt, solange die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht aufgegeben werden muss.[1] Maßgebend für die Beurteilung, ob (weiter) von einer Fortführung auszugehen ist, ist dabei die Frage, ob nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für einen überschaubaren, hinreichend sicheren Zeitraum (Rz 38) mit einer Fortführung zu rechnen ist.[2] Stehen dem keine tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten entgegen, so hat die Bewertung unter Anwendung der Vorschriften der §§ 253 bis 256a HGB zu erfolgen (zu den darüber hinaus zu beachtenden Vorschriften s. Rz 49). Dabei sind mit jüngster Rechtsprechung[3] und der Angleichung des IDW-Prüfungsstandards an die ISA gerade in diesem Bereich die Anforderungen an die Vornahme der Einschätzung der Fortführungsfähigkeit der gesetzlichen Vertreter deutlich gestiegen. So verlangt der IDW PS 270 n. F. nun stets eine dokumentierte Einschätzung und führt deutlich frühere Indikatoren für das mögliche Fehlen der Fortführungsfähigkeit auf (Rz 40).

Unter Fortführung ist dabei nicht lediglich uneingeschränkte unternehmerische Aktivität, sondern vielmehr – mitunter eingeschränkte oder ausgesetzte – Aktivität i. S. d. Unternehmenszwecks zu verstehen. Insofern gilt die Vermutung der Unternehmensfortführung – vorbehaltlich entgegenstehender rechtlicher oder tatsächlicher Gegebenheiten – auch für Mantelgesellschaften, ruhende Unt und Vermögensverwaltungsgesellschaften.

Nach Auffassung des BGH scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unt noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird, d. h., ein Insolvenzgrund besteht.[4]

Eine Unterscheidung bei der Bewertung von VG und Schulden in Abhängigkeit einer etwaigen Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist insofern erforderlich, da sich der Wert dieser regelmäßig in Abhängigkeit des Fortbestehens bemisst bzw. in Abhängigkeit davon variiert. Im Umkehrschluss ergibt sich bei Vorliegen entgegenstehender Gegebenheiten die Vorgabe zur Berücksichtigung der gegebenen Situation i. R. d. Bewertung (Rz 50 ff.).

Über den Verweis auf § 252 HGB in § 298 Abs. 1 HGB ist der Grundsatz der Unternehmensfortführung auch im Konzernabschluss anzuwenden. Er gilt infolge einer ähnlichen Regelung in IAS 1.25 auch für nach den IFRS aufgestellte Konzernabschlüsse und Jahresabschlüsse. IAS 1.25 sieht dabei vor, dass ein Abschluss auf der Grundlage der Annahme der Unternehmensfortführung aufzustellen ist, bis das Management beabsichtigt, das Unt aufzulösen oder das Geschäft einzustellen bzw. es keine realistische Alternative mehr zu einer Aufgabe/Einstellung gibt.

 

Rz. 35

Die going-concern-Prämisse ist über das Handelsrecht hinaus auch im Steuer-, Insolvenz- und Gesellschaftsrecht verankert. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG etwa verlangt i. R. d. Bewertung der als Betriebsvermögen anzusetzenden Wirtschaftsgüter – konkret beim Teilwertansatz – die Berücksichtigung der Annahme der Fortführung des Betriebs. Im Insolvenzrecht, das seiner Logik folgend den Umkehrfall regelt, liegt etwa gem. § 19 InsO dann eine Überschuldung[5] vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unt in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. In diesem Kontext ist jedoch zu beachten, dass der insolvenzrechtliche Fortführungsbegriff von jenem des HGB abweicht.[6] Im Aktienrecht sieht § 91 Abs. 2 AktG vor, dass der Vorstand Maßnahmen zu treffen hat, um Entwicklungen früh erkennen zu können, die den Fortbestand der Ges. gefährden. Für börsennotierte Ges. fordert der Gesetzgeber in § 91 Abs. 3 AktG noch klarstellend[7] darüber hinaus die Einrichtung eines im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unt angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems.

 

Rz. 36

Mit der Reform des Insolvenzrechts durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz[8] ist seit dem 1.1.2021 diese explizite Verpflichtung mit § 1 Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ausgeweitet worden. Seither sind alle Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei der keine natürliche Person als Vollhafter vorhanden ist, explizit verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand des Unt gefährden können (Risikofrüherkennung), zu ...

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