Rz. 8

Zur Bestellung des Abschlussprüfers (AP) bedarf es neben der Wahl des AP durch die Gesellschafter zusätzlich des Abschlusses eines Prüfungsvertrags zwischen dem AP und den gesetzlichen Vertretern des prüfungspflichtigen Unt. Der Begriff "Bestellung" umfasst also neben der Wahl des AP auch die Auftragserteilung durch die Vertreter der Ges. sowie die Auftragsannahme durch den AP.[1]

 

Rz. 9

Das Bestellungsverfahren wurdebei Unt von öffentlichem Interesse durch die EU-Verordnung Nr. 537/2014 in mehrfacher Hinsicht modifiziert. Bei Unt von öffentlichem Interesse besteht eine Pflicht zur Ausschreibung der Abschlussprüfung sowohl bei einem Wechsel des AP als auch bei der Verlängerung der Höchstlaufzeit desselben Prüfungsmandants (Art. 16 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 537/2014). Nach Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 besteht eine Pflicht zur externen Rotation nach einer Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats von grds. 10 Jahren. Eine Verlängerung ist unter gewissen Voraussetzungen möglich (Mitgliedstaatenwahlrecht, früher umgesetzt mit § 318 Abs. 1a HGB a. F.). Mit dem FISG wurde zum Ablauf des 30.6.2021 § 318 Abs. 1a HGB a. F. aufgehoben (§ 316a Rz 2).

 

Rz. 10

Das Verfahren zur Auswahl des AP bei Unt von öffentlichem Interesse wird in Art. 16 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 detailliert geregelt:

  • Art. 16 Abs. 2: Der Prüfungsausschuss hat dem Aufsichtsrat eine Empfehlung für die Bestellung des AP vorzulegen; diese hat – abgesehen vom Fall der Erneuerung des Prüfungsmandats – mind. zwei Vorschläge und eine Präferenz mit Begründung zu enthalten. Darüber hinaus ist, sofern nicht die größenabhängige Erleichterung des Art. 16 Abs. 4 greift, das Unt verpflichtet, ein Ausschreibungsverfahren nach den Regeln des Art. 16 Abs. 3 durchzuführen. Dieses ist die Grundlage für die Empfehlung des Prüfungsausschusses zur Wahl des AP.
  • Art. 16 Abs. 3: Das geprüfte Unt ist bei der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens und der Auswahl der AP grds. frei. Ein öffentliches Ausschreibungsverfahren i. S. d. Ausschreibung öffentlicher Aufträge ist nicht erforderlich, vielmehr muss die Ausschreibung öffentlich i. S. v. "bekannt" sein (z. B. Veröffentlichung im BAnz).[2] Den regulatorischen Rahmen für Ausschreibungen fasst das IDW wie folgt zusammen:[3] Soweit nicht ein bestehendes Mandant i. S. v. Art. 17 Abs. 1 und 2 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 verlängert wird, hat das Ausschreibungsverfahren anhand folgender Vorgaben des Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a) bis f) zu erfolgen:[4]

    • Bei der Aufforderung von AP zur Abgabe eines Angebots ist darauf zu achten, dass eine Bestellung des AP nicht gegen die Regeln zur externen Rotation verstößt (Höchstlaufzeit und "Abkühlungsphase").
    • Die Aufforderung von AP darf in keiner Weise solche AP ausschließen, die im vorausgegangenen Kalenderjahr weniger als 15 % der von Unt von öffentlichem Interesse gezahlten Gesamthonorare erhalten haben.
    • Die Ausschreibungsunterlagen des Unt müssen es ermöglichen, dessen Geschäftstätigkeit und die Art der durchzuführenden Abschlussprüfung zu erfassen.
    • Das Unt kann das Auswahlverfahren frei gestalten und im Laufe des Verfahrens direkte Verhandlungen mit interessierten Bietern führen.
    • Die Ausschreibungsunterlagen müssen die Qualitätsstandards enthalten, deren Erfüllung von der Aufsichtsbehörde verlangt werden.
    • Die Angebote der AP sind anhand der in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Auswahlkriterien zu beurteilen; in einem Bericht sind die im Auswahlverfahren gezogenen Schlussfolgerungen zu nennen, wobei alle Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der von der zuständigen Aufsichtsbehörde veröffentlichten Inspektionsberichte über die bietenden AP zu berücksichtigen sind.
    • Das Unt muss in der Lage sein, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde darzulegen, dass das Auswahlverfahren auf faire Weise durchgeführt wurde.
  • Art. 16 Abs. 5: Der Wahlvorschlag an die Hauptversammlung muss die Empfehlung und Präferenz des Prüfungsausschusses enthalten. Dabei ist es grds. ausreichend, wenn der Aufsichtsrat der Hauptversammlung lediglich einen AP vorschlägt. Hat der Aufsichtsrat eine von der Empfehlung des Prüfungsausschusses abweichende Präferenz, muss er diese bei seinem Vorschlag begründen.
  • Art. 16 Abs. 6: Klauseln in einem zwischen dem Unt von öffentlichem Interesse und einem Dritten geschlossenen Vertrag, die die Auswahlmöglichkeiten der Gesellschafter im Hinblick auf die Auswahl des AP beschränken, sind nichtig. Sofern ein Dritter versucht, eine solche Vertragsklausel durchzusetzen oder die Entscheidung über die Wahl des AP anderweitig zu beeinflussen, ist dies der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
[1] Zur Beauftragung des AP vgl. auch ISA (DE) 210.
[2] IDW, IDW Positionspapier zu Inhalten und Zweifelsfragen der EU-Verordnung und der Abschlussprüferrichtlinie, 6. Aufl., Stand: 30.6.2021 mit Ergänzungen vom 16.11.2021 und 4.4.2022, https://www.idw.de/IDW/Medien/Positionspapier/Downloads-IDW/IDW-Positionspapier-Zweifelsfragen-6-Auflage.pdf, Abruf 7.10.2023.
[3] Zum Ausschreibungsprozess vgl. IDW,...

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