Rz. 1

Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften unterliegen i. R. d. HGB gesonderten Bestimmungen. Aus diesem Grund ist es notwendig, den Terminus der "Kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft" zu definieren. Diese Aufgabe kommt § 264d HGB zu. Werden künftig Änderungen des WpHG vorgenommen, so sind diese automatisch über § 264d HGB erfasst und müssen lediglich auf ihre Kongruenz mit dem Regelungsumfang dieser handelsrechtlichen Norm überprüft werden.

Ein eigenständiger Regelungsgehalt i. S. e. Rechnungslegungsbestimmung kann § 264d HGB nicht entnommen werden.

Im Anwendungsbereich des § 264d HGB gelten alle kapitalmarktorientierten KapG als große Ges. i. S. d. HGB unter entsprechender Anwendung der einschlägigen Vorschriften zur gesetzlichen Abschlussprüfung. Die Legaldefinition der kapitalmarktorientierten KapG bringt damit keine materiellen Neuerungen in Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich der gesetzlichen Abschlussprüfung mit sich.[1]

 

Rz. 2

Das Gesetz verwendet an verschiedenen Stellen neben dem Begriff der kapitalmarktorientierten KapG auch die verwandten Begriffe börsennotierte AG und börsennotierte KapG.[2]

Unter Rückgriff auf § 3 Abs. 2 AktG ist eine börsennotierte AG eine AG, "deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist." Eine kapitalmarktorientierte AG kann im Gegensatz zur börsennotierten AG auch nur Schuldtitel an einem regulierten Markt ausgegeben haben. Dies gilt allerdings nur, wenn dies an einer Börse im EU/EWR-Raum vorgenommen wurde. Im nationalen Recht wurde der in den europäischen Verordnungen als regulierter Markt bezeichnete Markt innerhalb des WpHG als organisierter Markt definiert (Rz 4).

Hat eine AG Aktien lediglich an einer überwachten Börse außerhalb des EU/EWR-Raums ausgegeben, ist sie nicht kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB, wohl aber börsennotiert. Die vorstehenden Ausführungen zur börsennotierten AG gelten auch für die SE und die KGaA.

 

Rz. 3

Börsennotierte AGs müssen im Jahresabschluss und Lagebericht (für den Konzernabschluss und -lagebericht gelten analoge Regeln) ergänzend folgende Regelungen berücksichtigen:

  • Individualisierte Angaben zu den Vorstandsbezügen (§ 285 Nr. 9 und § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB (bis einschl. Gj 2020)).
  • Regelungen zur Ausgestaltung des Vergütungssystems sowie zur jährlichen Berichterstattung grds. ab 2020 in Form eines Vergütungsberichts von Vorstand und Aufsichtsrat entsprechend der Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (§§ 87a, 120a, 162 AktG (ab Gj 2021)).
  • Beachtung des Deutsche Corporate Governcance Kodex (DCGK).
  • Erklärung zur Abgabe, zur Einhaltung und zum Veröffentlichungsort des Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 285 Nr. 16 und § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB).
  • Angaben zu Beteiligungen ab einschl. 5 % der Stimmrechte, sog. Anteilsbesitzliste (§ 285 Nr. 11b und § 313 Abs. 2 Nr. 5 HGB).
  • Grundzüge des Vergütungssystems für Vorstände und Aufsichtsorgane im Lagebericht (§ 289a Abs. 2 und § 315a Abs. 2 HGB a. F. (bis einschl. Gj 2020)).
  • Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f und § 315d HGB).
  • Einrichtung ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und der Risikolage eines Unt angemessenes und wirksames internes Kontrollsystems und Risikomanagementsystems (neu eingeführter § 91 Abs. 3 AktG).
  • Beim Prüfungsumfang ist zu berücksichtigen, dass die Außenprüfung um die Prüfung des nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichtenden Überwachungssystems zu erweitern ist, bei dem der Fokus auf der Prüfung der Option zur Aufgabenerfüllung liegt.
  • Es erfolgt eine weitere externe Prüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sofern die Notierung an einer inländischen Börse besteht. Die Prüfung erfolgt nicht jährlich, sondern stichprobenartig oder bei besonderer Veranlassung (§ 342r HGB). Die Prüfung erstreckt sich zudem nur auf bestimmte Problemfelder des Abschlusses/Lageberichts. Diese werden grds. im November des vorangehenden Jahres bekannt gemacht und enthalten neben eigenen Schwerpunkten auch die auf europäischer Ebene festgelegten Prüfungsschwerpunkte der European Securities and Markets Authority (ESMA). Seit Anwendung des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes FISG vom 3.6.2021, gültig ab dem 1.7.2021, werden sämtliche Aufsichtsmaßnahmen unmittelbar durch die BaFin durchgeführt und die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung bis zum Jahresende 2021 aufgelöst (Art. 12 Nr. 26 FISG).

Börsennotierte KapG müssen zusätzlich beachten:

[1] Vgl. Orth/Müller, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht, 2008, S. 610.
[2] Vgl. Zwirner, PiR 2000, S. 93.

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