Leitsatz

Führt die Insolvenzanfechtung nach §§ 129ff. InsO aufgrund einer Rückzahlung an den Insolvenzverwalter zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG, ist der sich hieraus ergebende Steueranspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Teil der Masseverbindlichkeit für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), §§ 129ff., § 144 InsO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen eines zum Vorsteuerabzug berechtigten Einzelunternehmers. Der Kläger reichte für die Insolvenzmasse unter einer für diese erteilten Steuernummer eine Umsatzsteuererklärung ein, aus der sich eine als Masseverbindlichkeit geschuldete Umsatzsteuer von 177,62 EUR ergab.

Mit Schreiben vom 12.2.2014 reichte er zudem unter der Steuernummer des Insolvenzschuldners eine Umsatzsteuererklärung ein, aus der sich eine als Insolvenzforderung geltend zu machende Umsatzsteuerschuld von 448,53 EUR ergab. Diese beruhte ausschließlich auf Vorsteuerberichtigungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Der Einzelunternehmer hatte vor der Insolvenzeröffnung Leistungen bezogen, bezahlt und den Vorsteuerabzug geltend gemacht. Nach der Insolvenzeröffnung hatte der Kläger hierfür die Insolvenzanfechtung erklärt und noch bis zum Jahresende im Streitjahr 2010 Rückzahlungen vereinnahmt.

Das FA ging demgegenüber davon aus, dass die Vorsteuerberichtigungen im Bereich der Masseverwaltung zu erfassen seien, und erließ einen Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2010, aus dem sich eine Steuererhöhung von 448,53 EUR ergab. Einspruch und Klage zum FG (Sächsisches FG, Urteil vom 15.10.2015, 1 K 1381/14, Haufe-Index 9471810) hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG zum Bereich der Masseverwaltung gehört und daher Teil der sich für das Streitjahr ergebenden Umsatzsteuermasseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO ist.

 

Hinweis

1. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Entgelte nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit auch nach ihrer Vereinnahmung zu berichtigen, wenn sie zurückgewährt werden. So ist es z.B. dann, wenn der Abnehmer das Entgelt für eine Lieferung durch Aufnahme eines Darlehens erbringt, für das den Unternehmer eine Ausfallhaftung trifft. Zur Berichtigung kommt es dabei erst aufgrund der Rückgewähr des Entgelts (BFH, Urteil vom 20.5.2010, V R 5/09, BFH/NV 2011, 77).

2. Eine vergleichbare Situation besteht im Fall der Insolvenzanfechtung nach §§ 129ff. InsO. Der Anfechtung unterliegende Zahlungen sind zurückzugewähren. Aufgrund dieser Rückgewähr leben gemäß § 144 InsO die ursprünglichen Zahlungsansprüche wieder auf. Diese sind Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO.

Infolge dieser Rückgewähr kommt es zur Vorsteuerberichtigung für die vom Einzelunternehmer bezogenen Leistungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG.

3. Der aufgrund des Vollzugs der Insolvenzanfechtung entstehende Berichtigungsanspruch ist im Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO.

a) Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) bestimmt sich danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

b) Danach ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch Masseverbindlichkeit.

aa) Der umsatzsteuerrechtliche Berichtigungsan­spruch entsteht im Rahmen der Masseverwaltung. Hierzu gehört die Geltendmachung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129ff. InsO.

bb) Der den Berichtigungsanspruch begründende Tatbestand ist nach den steuerrechtlichen Vorschriften nicht bereits vor, sondern erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen.

Zum einen handelt es sich bei der Berichtigung nach § 17 UStG – ebenso wie z.B. bei § 15a UStG – um einen eigenständigen Tatbestand, der sich nicht in der bloßen Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs erschöpft, da zusätzliche Voraussetzungen, wie etwa die Entgeltrückgewähr, vorliegen müssen.

Zum anderen kommt es zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einem bereits entrichteten Entgelt erst durch die Entgeltrückgewähr, nicht aber bereits durch die Entstehung des Anspruchs auf Rückgewähr. Diese Rückgewähr ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung typischerweise völlig offen, da stets damit gerechnet werden muss, dass der Schuldner des Rückzahlungsanspruchs – der Anfechtungsgegner – zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Entgeltrückgewähr kommt es nicht darauf an, dass die Insolvenz­anfechtung durch das Wiederaufleben der ursprünglichen Forderung gemäß § 144 A...

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