Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu – nachträglichen – Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) darstellen könnten.

 

Normenkette

§ 17 EStG, § 42 AO, § 255 Abs. 1 ­Sätze 1 und 2, § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war mit seinen Brüdern an einer GmbH beteiligt, für deren Schulden er sich auch persönlich verbürgt hatte. Im Jahr 2009 veräußerte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb und stellte die werbende Tätigkeit ein. Zwischen Juni und Dezember 2010 leisteten der Kläger und seine Brüder Zuführungen in die Kapitalrücklage der GmbH, um die drohende Liquidation der Gesellschaft abzuwenden. In Verhandlungen mit der Bank erwirkte die GmbH einen Teilforderungsverzicht und führte ihre restlichen Schulden zurück. Der Kläger und seine Brüder veräußerten anschließend ihre Anteile an der GmbH für 0 EUR. Das Vermögen der Gesellschaft bestand zu diesem Zeitpunkt vor allem aus einem hohen Verlustvortrag.

 

Entscheidung

Eine Entscheidung in der Sache ist noch nicht ­ergangen (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2014, 11 K 3617/13 E, Haufe-Index 8732157). Das BMF ist aufgefordert, dem Rechtsstreit beizutreten und zu den vom BFH aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.

 

Hinweis

Bekanntlich hat der BFH vor Kurzem seine Rechtsprechung zu § 17 EStG geändert: Seit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts fehlt eine Rechtsgrundlage für die Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten in Fällen, in denen die Finanzierungshilfe nach früherem Recht eigenkapitalersetzend war. Der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten ist deshalb nicht mehr normspe­zifisch, sondern wie auch sonst im EStG nach Maßgabe von § 255 HGB zu verstehen. Es kommt in Zukunft (wieder) darauf an, ob der Gesellschafter der Gesellschaft handelsrechtlich Eigenkapital zugeführt hat. Der Zeitpunkt der Krise hat keine Bedeutung mehr (BFH, Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, BFH/NV 2017, 1501, Kommentierung in BFH/PR 2017, 393, BFHE 258, 427).

1. Noch nicht entschieden hat der BFH, ob es keinerlei Bedeutung hat, in welchem Zeitpunkt der Gesellschafter seiner Gesellschaft Eigenkapital (im handelsrechtlichen Sinne) zuführt.

2. In diesem Zusammenhang stellen sich zumindest zwei Fragen, die im Besprechungsfall und in zwei gleich gelagerten Fällen (IX R 6/15 und IX R 7/15) möglicherweise einer Klärung bedürfen:

a) Führt eine "Einlage in letzter Minute" zu Anschaffungskosten der Beteiligung, wenn sie erkennbar dazu dient, die Gesellschaft schuldenfrei zu machen und so die Inanspruchnahme der Gesellschafter aus ihren für die Gesellschaft hingegebenen Bürgschaften abzuwenden? Sind dies Aufwendungen, die geleistet werden, um die Beteiligung zu erwerben (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB – finaler Anschaffungskostenbegriff)? Aufwendungen aus der Inanspruchnahme als Bürge würden nach handelsrechtlichen Grundsätzen nicht (mehr) zu Anschaffungskosten der Beteiligung führen.

b) Wenn man dies verneint, muss man die Frage beantworten, unter welchen Voraussetzungen die Zuführung von Eigenkapital durch den Gesellschafter nicht zu (nachträglichen) Anschaffungskosten der Beteiligung führt. Rechtsprechung und Literatur haben, soweit ersichtlich, hierzu bislang noch keine differenzierende Haltung eingenommen.

c) Wenn man die erste Frage bejaht, schließt sich die zweite vom BFH aufgeworfene Frage an: Kann eine "Einlage in letzter Minute" ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts sein (§ 42 AO)? Positiv gefragt: Was wäre das angemessene Alternativverhalten? Muss sich der Gesellschafter darauf verweisen lassen, seine Inanspruchnahme als Bürge zu dulden, weil er sich ursprünglich dazu entschieden hat, seiner Gesellschaft Fremdkapital und nicht Eigenkapital zuzuwenden? Ist das der Weg, den das Handelsrecht als angemessen vorgibt, wenn aufgrund der Umstände bereits feststeht, dass die Gesellschafter die Gesellschaft nicht fortführen, sondern abwickeln oder veräußern wollen?

3. Es liegt auf der Hand, dass die angesprochenen Fragen von größter Bedeutung sind für die zukünftige Ausrichtung der Besteuerung nach § 17 EStG. Sie sowie andere im Zusammenhang stehende Fragen (wie z.B. die Rechtsfolgen beim Forderungsverzicht) bedürfen nach Einschätzung des BFH vorab einer möglichst breiten, grundlegenden Diskussion. Dazu dient die Veröffentlichung des Beiladungsbeschlusses. Er wendet sich zwar ausdrücklich nur an das BMF. In einem weiteren Sinne sind aber – wie immer – auch alle interessierten Kreise angesprochen, an der Diskussion teilzunehmen. Sie werden zwar nicht Beteiligte im finanzgerichtlichen Verfahren, dürfe...

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