Leitsatz

1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet es der Finanzbehörde, Forderungen zu pfänden, ohne dass ein hinreichender Anhalt dafür besteht, dass die Pfändung zu ihrer Befriedigung führen kann; dabei ist das Interesse des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen, dass anderen seine Steuerschulden nicht bekannt werden.

2. In der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung ist anstelle der Bezeichnung des Schuldgrundes zumindest die Summe des beizutreibenden Geldbetrages anzugeben. Das Steuergeheimnis steht dem nicht entgegen.

3. Das Steuergeheimnis verlangt nicht, vor Erlass einer Pfändungsverfügung beim Drittschuldner wegen des Bestandes einer Forderung des Vollstreckungsschuldners anzufragen.

 

Normenkette

AO 1977 § 30 Abs. 1 und , AO 1977 § 30 Abs. 4, , AO 1977 § 260, , AO 1977 § 282, , AO 1977 § 309, , AO 1977 § 314

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.07.2000, VII R 101/98

Anmerkung

Die Entscheidung betrifft die Frage, inwieweit den Finanzbehörden bei Forderungspfändungen durch das Steuergeheimnis ( § 30 AO ) sowie durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt sind.

Bei Pfändung einer Geldforderung „hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung …” zu enthalten ( § 309 Abs. 1 AO ). Zum notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung gehört auch die Angabe, wegen welcher Forderung gepfändet wird. Erst aus der Höhe der zu vollstreckenden Forderung ergibt sich der Umfang des Pfändungspfandrechts an der zu pfändenden Forderung. Der BFH stellt klar, dass durch die Bekanntgabe der Summe des beizutreibenden Geldbetrags das Steuergeheimnis ( § 30 AO ) nicht verletzt wird.

Der BFH setzt sich außerdem mit der Ansicht des FG auseinander, das FA müsse vor Erlass einer Pfändungsverfügung bei den vermeintlichen Drittschuldnern Erkundigungen darüber einholen, ob und ggf. in welcher Höhe sie dem Vollstreckungsschuldner etwas schulden. Der BFH verweist in diesem Zusammenhang auf die in der AO geregelten Voraussetzungen für die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen: Eine vorherige Anfrage über den Bestand einer Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner sei dort nicht vorgeschrieben.

Für Vollstreckungsschuldner ist vor allem die Aussage des BFH von Bedeutung, dass die Vollstreckungsbehörde bei Erlass von – grundsätzlich in ihr Ermessen gestellten – Vollstreckungsmaßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten hat. Dieser Grundsatz verlangt von ihr insbesondere, keine von vornherein aussichtslosen, also ungeeigneten Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Er verbietet ihr ferner, „ins Blaue hinein” Forderungen zu pfänden, ohne dass ein hinreichenden Anhalt dafür besteht, dass die Pfändung zur Befriedigung der Behördenforderungen führen kann.

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