Leitsatz

1. Der Strukturwandel zur Liebhaberei stellt keine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe dar. Die weiterhin in dem – nun nicht mehr einkommensteuerrelevanten – Betrieb genutzten Wirtschaftsgüter bleiben Betriebsvermögen. Wertänderungen dieses Betriebsvermögens, die während der Zeit der Liebhaberei eintreten, sind einkommensteuerrechtlich allerdings irrelevant.

2. Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, ist er nicht verpflichtet, im Zeitpunkt des Strukturwandels zur Liebhaberei zum Betriebsvermögensvergleich überzugehen und einen daraus resultierenden Übergangsgewinn zu ermitteln und zu versteuern.

3. Hat ein solcher Steuerpflichtiger in dem Zeitraum, in dem er noch mit Einkunftserzielungsabsicht handelte, die Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens als Betriebsausgaben abgesetzt, so stellt auch nach Wegfall der Einkunftserzielungsabsicht die Verwirklichung eines Realisationsakts in Bezug auf dieses Wirtschaftsgut (Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts, Veräußerung oder Aufgabe des Liebhabereibetriebs) dem Grunde nach einen Steuertatbestand dar. Der Höhe nach ist derjenige Betrag als nachträgliche Betriebseinnahme anzusetzen und zu versteuern, der für das einzelne Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens im Zeitpunkt des Strukturwandels zur Liebhaberei in eine Übergangsbilanz einzustellen gewesen wäre.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 3, § 16 Abs. 3, § 24 Nr. 2 EStG, § 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb nebenberuflich einen Einzelhandel mit Spielwaren. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung. Von der Gründung des Betriebs bis zum Streitjahr erwirtschaftete der Kläger fast nur Verluste. Mit dem FA bestand nach Durchführung einer Außenprüfung Einigkeit, dass die Einkunftserzielungsabsicht nur bis zum Streitjahr bestanden hat. Bei der Veranlagung des Streitjahres ging das FA davon aus, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, im Zeitpunkt des Strukturwandels zur Liebhaberei von der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich überzugehen, sodass ein entsprechender Übergangsgewinn zu versteuern sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG konnte sich das FA nicht darauf berufen, dass ein Übergang zum Betriebsvermögensvergleich vorzunehmen sei, weil der Strukturwandel zur Liebhaberei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade keine Betriebsaufgabe darstelle (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.9.2014, 3 K 2294/12, Haufe-Index 7417369, EFG 2015, 11).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet und führte zur Zurückverweisung der Sache. Das FG war zwar teilweise von den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Grundsätzen ausgegangen. Es hatte aber übersehen, dass nicht nur die Veräußerung oder Aufgabe des gesamten (Liebhaberei-)Betriebs, sondern auch die Veräußerung oder Entnahme eines einzelnen Wirtschaftsguts als Realisationsakt anzusehen ist. Um zu ermitteln, ob bzw. in welchem Umfang es im Streitjahr zu derartigen Realisationsakten gekommen ist, ging die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung handelt es sich beim Übergang von einem einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbsbetrieb zu einem Liebhabereibetrieb ("Strukturwandel") nicht um eine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe. Tragend hierfür ist u.a., dass der betriebliche Organismus bestehen bleibt und insbesondere die Verknüpfung der Wirtschaftsgüter mit dem Betrieb nicht gelöst wird. Daraus folgt zugleich, dass die weiterhin in dem – nun nicht mehr einkommensteuerrelevanten – Betrieb genutzten Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen bleiben.

2. Allerdings sind Wertänderungen des Betriebsvermögens, die während der Zeit der Liebhaberei eintreten, einkommensteuerrechtlich irrelevant. Diese Beurteilung führt zu einer Festschreibung des im Zeitpunkt des Strukturwandels vorhandenen Betriebsvermögens.

Die in diesem Zeitpunkt existenten stillen Reserven, die noch der Auflösung harren, sind – erst und genau dann – als nachträgliche betriebliche Einkünfte zu versteuern, wenn sie durch Veräußerung oder Entnahme des betreffenden Wirtschaftsguts oder durch Veräußerung oder Aufgabe des Liebhabereibetriebs realisiert werden. Dies zeigt auch § 8 der VO über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO, selbst wenn sein Anwendungsbereich auf stille Reserven des Anlagevermögens beschränkt ist.

3. Die Verwirklichung eines Realisationsakts in Bezug auf diejenigen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die im Zeitpunkt des Strukturwandels bereits vorhanden waren und deren Anschaffungskosten der Steuerpflichtige in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung steuerwirksam als Betriebsausgaben abgezogen hatte, stellt dem Grunde nach einen Steuertatbestand gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 EStG dar. Das EStG gestattet auf der einen Seite die Bildung stiller Reserven, fordert aber auf der anderen Seite die steuerliche Erfassung der angesammelte...

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