Leitsatz

1. Verwendet ein Rechtsanwalt Fremdgelder, die er in fremdem Namen und für fremde Rechnung beigetrieben hat, für eigene Zwecke, verlieren diese nicht die Eigenschaft als durchlaufende Posten und sind im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung nicht in die Gewinnermittlung einzubeziehen.

2. Veruntreute Fremdgelder stellen auch dann keine steuerbaren Einnahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder der Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, wenn der Rechtsanwalt diese kontinuierlich und planmäßig über mehrere Jahre hinweg einsetzt, um Betriebsausgaben oder Kosten der privaten Lebensführung zu bestreiten.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, § 266 Abs. 1 StGB

 

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelte, übernahm für eine Verrechnungsstelle die Beitreibung ärztlicher Honorare gegenüber säumigen Patienten. Zahlungen der Patienten wurden auf den Geschäftskonten des Klägers vereinnahmt. Anderkonten für Fremdgelder führte er nicht.

Die an die Verrechnungsstelle weiterzuleitenden Fremdgelder verbuchte der Kläger in der Weise, dass er eine Gegenbuchung auf einem internen Verbindlichkeitskonto "im Haben" vornahm. Tatsächlich weitergeleitete Fremdgelder wurden auf diesem Konto "im Soll" gebucht.

Anlässlich einer Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass die eingegangenen und an die Verrechnungsstelle weiterzuleitenden Fremdgelder Minusbestände auf den betrieblichen Bankkonten des Klägers verringert hätten. Der Kläger habe die Fremdgelder verwendet, um hieraus Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

Dementsprechend rechnete das FA dem Kläger nicht erklärte Betriebseinnahmen zu.

Das FG (FG des Saarlandes vom 29.2.2012, 1 K 1342/09, Haufe-Index 3125773, EFG 2012, 1328) vertrat die Auffassung, die vereinnahmten Fremdgelder seien keine durchlaufenden Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG und damit als Betriebseinnahmen in die Gewinnermittlung der Streitjahre einzubeziehen. Das FG schätzte die vom Kläger abredewidrig einbehaltenen und für eigene Zwecke verbrauchten Fremdgelder auf 90 % der vom FA angesetzten Mehreinkünfte.

 

Entscheidung

Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Die veruntreuten Fremdgelder seien nicht gewinnerhöhend anzusetzen. Wegen der Begründung wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

Ein Rechtsanwalt veruntreut Mandantengelder. Das Judiz mag im ersten Zugriff hier eine Besteuerung nahelegen. Eine detaillierte Prüfung führt indes – vielleicht überraschend – zum gegenteiligen Ergebnis:

1. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bei der Gewinn­ermittlung im Wege der Einnahmenüberschussrechnung aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).

Voraussetzung eines durchlaufenden Postens ist die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang, d.h. es müssen beide Geldbewegungen, die Vereinnahmung und Verausgabung, in fremdem Namen und für fremde Rechnung geschehen.

2. Fremdgelder, die als durchlaufende Posten in das Eigentum des Steuerpflichtigen – etwa durch Vereinnahmung auf einem betrieblichen Konto – gelangen und zu deren Weitergabe dieser schuldrechtlich verpflichtet ist, sind Betriebseinnahmen und werden auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung Bestandteil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen.

3. Betriebseinnahmen i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG sind jedoch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung kraft gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs. 3 Satz 2 EStGnicht als gewinnerhöhende Einnahmen oder gewinnmindernde Ausgaben zu erfassen. Denn es handelt sich nicht um wirtschaftlich endgültige Geldzu‐ und -abgänge.

4. Fremdgelder, die der Steuerpflichtige in fremdem Namen und für fremde Rechnung auf Grundlage einer Inkassovollmacht vereinnahmt hat, sind auch dann durchlaufende Posten, die den Gewinn nicht beeinflussen, wenn der Steuerpflichtige diese Gelder bewusst auf seinem betrieblichen Geschäftskonto vereinnahmt, um dessen Minussalden auszugleichen, oder wenn er bereits bei der Vereinnahmung beabsichtigt, diese Beträge für eigene Zwecke zu verbrauchen. Denn der Steuerpflichtige kann zwar über die Gelder verfügen, bleibt aber schuldrechtlich verpflichtet, den Gegenwert herauszugeben.

5. Die widerrechtliche Verwendung der Fremdgelder führt für sich betrachtet ebenfalls nicht zu steuerbaren Einkünften (etwa aus Gewer­bebetrieb), auch wenn der Straftatbestand der ­Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) erfüllt ist. Der Steuerpflichtige vereinnahmt die veruntreuten Fremdgelder nämlich nicht als Betriebseinnahmen im Rahmen einer Einkunftsart, sondern außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung durch privat veranlasste Straftaten.

6. Die Rechtsprechung hat allerdings in Sonderfällen Einkünfte angenommen, etwa wenn steuerbare Einnahmen, die einer Personengesellscha...

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