Die offensichtlichste Möglichkeit, sich den Auswirkungen von Basel III und der damit einhergehenden Kreditvergabepraxis zu entziehen, liegt in der Verringerung des Fremdkapitalbedarfs, was angesichts des durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Abschwungs gerade für viele Branchen besonders schwer ist. Generell kann dies theoretisch nur über folgende Wege erreicht werden:[1]

  • Erhöhung des Eigenkapitals. Soll die Bilanzsumme konstant bleiben, so kann zunächst lediglich das Eigenkapital erhöht werden. Wenn nicht die Altgesellschafter weiteres Kapital einlegen, besteht neben der – wenn überhaupt, nur für größere bzw. bestimmte Unternehmen in Betracht kommenden – Finanzierung über die Börse die Möglichkeit, Beteiligungen auf vielfältige Weise auf informellen Märkten zu veräußern. Allerdings wird sich bei Unternehmen, die eine Gesamtkapitalrentabilität oberhalb des Fremdkapitalzinssatzes erzielen, eine Verringerung der Eigenkapitalrentabilität ergeben. Auch wenn  der Markt für Eigenkapital angesichts der langsamen Erholung von der Finanzkrise und der daraus resultierenden Auswirkungen auf den Venture-Capital-Markt als inzwischen wieder gefestigt anzusehen ist, dürften die Erwartungen der Investoren auf eine risikoadäquate Verzinsung nicht weniger hoch sind als die Erwartungen der Fremdkapitalgeber. Hierdurch wird diese Alternative vornehmlich Unternehmen mit guter Bonität und hohen Ertragserwartungen offenstehen und den Unternehmen, deren Finanzierungsbedingungen sich im Rahmen von Basel III verschlechtern, wohl weniger von Nutzen sein. Allerdings existieren einzelne Förderprogrammen für eigenkapitalähnliche Mittel. Eine Beratung bzgl. der Nutzungsmöglichkeiten erfolgt i. d. R. durch die Hausbank, die auch den administrativen Teil der Finanzierung übernimmt.
  • Umschichtung der Verbindlichkeiten. Mittelständische Unternehmen können versuchen, die von ihren Kunden aufgebürdeten Finanzierungen an die Lieferanten weiterzugeben. Hier sind längere Zahlungsziele ebenso denkbar wie (wenn nicht nach IFRS bilanziert wird)[2] bestimmte Leasingverträge. Möglich wäre außerdem die Emission von eigenen Anleihen. Auf diesem Gebiet haben deutsche Unternehmen in Relation zu vergleichbaren europäischen und internationalen Volkswirtschaften großen Aufholbedarf. Ursächlich hierfür sind die in Relation zu einem Bankkredit hohen einmaligen und laufenden Kosten. Ein weiteres Hemmnis, diese Form der Finanzierung zu wählen, sind die erhöhten Informations- und Offenlegungsanforderungen. Neben dem Bankkredit ist die Inanspruchnahme öffentlicher Darlehen ein probates Mittel zur Finanzierung, wobei in den letzten Jahren bereits ein kräftiger Anstieg zu konstatieren ist. Leider ist durch zahlreiche Zahlungsausfälle das Marktsegment inzwischen auch von erheblichen Risikozuschlägen geprägt.[3]
  • Verringerung der Bilanzsumme. Dies erfordert eine konsequente Durchleuchtung der Vermögensgegenstände im Hinblick auf ihre Notwendigkeit. So sind nicht betriebsnotwendige Vermögensgegenstände, wie etwa bestimmtes Finanzvermögen oder unbebaute Grundstücke, zu identifizieren und eventuell abzustoßen. Eine Verbesserung der Logistik kann zur Verringerung der Lagerhaltung beitragen. Eine Untersuchung der Produktionstiefe und -verfahren erlaubt eventuell die Reduktion kapitalintensiven Anlagevermögens bzw. eine Verlängerung der Maschinennutzungsdauern. Außerdem können eventuell alternative, die Bilanzsumme verringernde Finanzierungsformen wie insbesondere gemietete oder geleaste Gegenstände sowie Factoring in Betracht kommen. Schließlich ist es bei vorhandener eigener starker Marktstellung möglich, teure Finanzierungen mit Vertragspartnern zu vermeiden und sogar Anzahlungen und Abschlagszahlungen zu vereinbaren.

Angesichts der wirtschaftlichen Situation und der bei vielen dieser Maßnahmen zu befürchtenden kontraproduktiven Wirkungen scheint ein derartiges Ausweichen für mittelständische Unternehmen nur im begrenzten Rahmen möglich zu sein. Gleichwohl sollten im Rahmen einer strategischen Planung auch diese zunächst abwegig erscheinenden Möglichkeiten gründlich geprüft werden, um das Verbesserungspotenzial der Unternehmenssituation über die auslösende Problematik der Fremdfinanzierung hinaus zu untersuchen.

[1] Vgl. Müller/Brackschulze/Mayer-Fiedrich, Finanzierung mittelständischer Unternehmen – Selbstrating, Controllingoptimierung und Finanzierungsalternativen, 2. Aufl. 2011, S. 187 ff.
[2] Nach IFRS 16 sind seit 2019 alle Leasingverträge als Nutzungsrechte beim Leasingnehmer bilanziell auszuweisen.
[3] Vgl. Mayer-Fiedrich, M.-D./Müller, S.: Perspektiven für die Anschlussfinanzierung/-sanierung bei auslaufenden Mezzanine-Programmen mittelständischer Unternehmen, in: BB 2013, S. 171-175.

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