Leitsatz

Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass Backoffice-Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder -vertretern erbracht werden, im Sinn dieser Vorschrift darstellen.

Das Urteil betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (§ 4 Nr. 11 Buchst. b UStG) und die Frage, ob die folgenden im Bereich der Lebensversicherung von einem Unternehmer (A) für eine Versicherung (V) ausgeführten "Backoffice-Tätigkeiten" von der Mehrwertsteuer befreit sind: "Entgegennahme von Versicherungsanträgen, Bearbeitung von Vertrags- und Tarifänderungen, Ausstellung, Verwaltung und Kündigung von Policen, Bearbeitung von Schadensfällen, Festsetzung der Provisionen und ihre Auszahlung an die Versicherungsvertreter, Organisation und Verwaltung der Informationstechnologie, Weitergabe von Informationen an V und die Versicherungsvertreter, Erstellung von Berichten an die Versicherungsnehmer und Dritte wie den Dienst für Steuerauskünfte und -ermittlungen. Wenn sich aufgrund der Angaben einer Person, die den Abschluss einer Versicherung beantragt, eine ärztliche Untersuchung als notwendig erweist, entscheidet V über die Annahme des Risikos, während im umgekehrten Fall A die Entscheidung trifft, die dann die Versicherung bindet. A obliegen nahezu alle Kontakte mit den Versicherungsvertretern."

Die Richtlinie befreit (nur) "die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden".

  • Für Versicherungsvermittlungsumsätze ist charakteristisch, dass der Unternehmer im Rahmen seiner Tätigkeit zugleich zum Versicherer und zu den Versicherungsnehmern in Beziehung steht (Randnr. 33), Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen (Randnr. 36).
  • Versicherungsumsätze i.S.d. Richtlinie liegen nur vor, soweit zwischen dem Unternehmer und den Versicherungsnehmern ein Versicherungsvertrag abgeschlossen wird (Randnr. 22).
  • Allein nach dem Inhalt der Tätigkeit ist zu bestimmen, ob Versicherungsumsätze oder Versicherungsvermittlungsumsätze vorliegen; zwar gehört nach Art. 2 der Richtlinie (RL) 77/92/EWG (betr. Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers [aus ISIC-Gruppe 630] zur Tätigkeit eines Versicherungsmaklers auch "die Befugnis, den Versicherer gegenüber dem Versicherten, dem ein Schaden entstanden ist, zu verpflichten". Der EuGH betont ausdrücklich, dass das allein nicht reicht.
  • Die Ausgliederung von Tätigkeiten, die für die Versicherungstätigkeit erforderlich sind, auf ein Subunternehmen, erlaubt weder die Beurteilung der Tätigkeit als Versicherungsumsatz noch als Versicherungsvermittlungsumsatz, wenn nicht die oben beschriebenen Charakteristika für diese Leistungen erfüllt sind (vgl. Randnr. 38).
 

Normenkette

Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (§ 4 Nr. 11 Buchst. b UStG)

 

Sachverhalt

ACMC – die zur Andersen-Gruppe gehörte – übernahm Backoffice-Tätigkeiten für UL, eine Versicherung, mit dem in den Praxis-Hinweisen beschriebenen Inhalt und begehrte die niederländische Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsvermittler.

Das niederländische Gericht hatte Zweifel zur Auslegung der Richtlinienbestimmung.

 

Entscheidung

Es genügt nicht, dass die Leistungen – wie die eingangs beschriebenen "Backoffice-Tätigkeiten" – zum wesentlichen Inhalt der Tätigkeiten eines Versicherungsunternehmens beitragen. Der EuGH betont, dass die streitigen Dienstleistungen nämlich Besonderheiten aufweisen, die offenkundig nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehören (so die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen, die Verwaltung von Rückversicherungsangelegenheiten und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter und die Finanzverwaltung). Wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, waren offensichtlich nicht gegeben.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 3.3.2005, Rs. C-472/03 – Arthur Andersen & Co. Accountants c.s.-

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