Leitsatz

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung sind die Kinderfreibeträge nicht nur für das Jahr 2014 verfassungswidrig zu niedrig. Das betrifft bei der Einkommensteuerfestsetzung diejenigen Steuerpflichtigen, für die der Abzug der steuerlichen Kinderfreibeträge günstiger ist als das Kindergeld

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist verwitwet und alleinerziehende Mutter. Ihre zwei Töchter wurden in den Jahren 1993 und 1998 geboren und befanden sich im Streitjahr in Ausbildung. Im Einkommensteuerbescheid für 2014 zog das Finanzamt für die Töchter Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG von zusammen jeweils 7.008 EUR ab. Der Einkommensteuerbescheid 2014 erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO u.a. hinsichtlich der Höhe der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG. Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein und beantragte die Vollziehung des Bescheides für 2014 insoweit auszusetzen, als sich aus den verfassungsgemäß anzusetzenden höheren Freibeträgen eine niedrigere Steuer ergeben würde. Zur Begründung führte sie aus, dass bereits in dem Neunten Existenzminimumbericht das sächliche Existenzminimum eines Kindes für das Jahr 2014 mit 4.440 EUR dargestellt wurde, und der steuerliche Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG nur 4.368 EUR betrage, also 72 EUR zu niedrig sei.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hat dem Antrag überwiegend entsprochen. Nach seiner Auffassung bestehen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014. Bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ist der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum in § 32 Abs. 6 EStG in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung evident zu niedrig. Das Finanzgericht hat weiter die Auffassung vertreten, dass bei der Ermittlung der Höhe des Kinderfreibetrags der Gesetzgeber lediglich ein durchschnittliches Existenzminimum von 258 EUR pro Monat berücksichtigt. Das liegt unter dem Anspruch auf Sozialleistungen eines sechsjährigen Kindes. Für volljährige Kinder werden diese Werte ebenfalls herangezogen, was für das Finanzgericht mehr als zweifelhaft ist. Der Kinderfreibetrag müsste für volljährige Kinder deshalb deutlich höher ausfallen.

 

Hinweis

Da die Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG derzeit vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO ergehen, ist ein Einspruch gegen die Steuerbescheide ab 2014 grundsätzlich nicht erforderlich. Da jedoch nicht eindeutig geklärt ist, ob der Vorläufigkeitsvermerk auch die Problematik der deutlicheren Erhöhung der Kinderfreibeträge für volljährige Kinder umfasst, ist in diesen Fällen ein Einspruch unter Hinweis auf die vorstehende Entscheidung des Finanzgerichts sinnvoll. Gleichzeitig sollte dann ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO gestellt werden.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Beschluss vom 16.02.2016, 7 V 237/15

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