Eine Sonderregelung nimmt die mit der Schweiz getroffene Grenzgängerregelung ein. Deutliche Unterschiede gegenüber den bereits dargestellten Abkommen bestehen hinsichtlich der Definition der Grenzgängereigenschaft. Dasselbe trifft auf das von der Schweiz und Deutschland gewählte System zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Grenzgängern zu. Das Freistellungsverfahren ist hier durch ein modifiziertes Anrechnungsverfahren ersetzt. Die Grenzgängerregelung des DBA/Schweiz weist das Besteuerungsrecht für Lohneinkünfte nicht allein dem Wohnsitzstaat zu. Dem Tätigkeitsstaat wird daneben das Recht zugestanden, eine Abzugsteuer zu erheben. Demzufolge sind Grenzgänger aus der Schweiz nicht mehr vom Lohnsteuerabzug durch den deutschen Arbeitgeber befreit. Ebenso wird bei den deutschen Grenzgängern von ihrem Arbeitgeber in der Schweiz eine Abzugsteuer vom Arbeitslohn einbehalten. Diese wird nach Ablauf des Kalenderjahres bei der Wohnsitzstaatbesteuerung im Rahmen der abschließenden Einkommensteuerveranlagung auf die sich ergebende Jahressteuer als Vorauszahlung angerechnet.

4.3.1 Grenzgängereigenschaft

Die Grenzgängereigenschaft nach dem mit der Schweiz getroffenen Abkommen hängt ausschließlich davon ab, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort in dem anderen Staat hat und von dort aus regelmäßig zu seinem Wohnsitz zurückkehrt.[1] Die früher maßgebende 30-km-Grenzzone, in der jeweils Wohnsitz und Arbeitsort liegen mussten, ist entfallen. Weiterhin unerlässlich ist es aber, dass der Arbeitnehmer in einem der beiden Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Ansässigkeit ist durch eine amtliche Bescheinigung des für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamts nachzuweisen. Ohne diesen formellen Nachweis finden – auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – die Bestimmungen der Grenzgängerregelung keine Anwendung.

Entscheidendes Merkmal für die Grenzgängereigenschaft ist die regelmäßige Rückkehr an den Wohnort im Wohnsitzstaat. Pendelt also z. B. ein deutscher Grenzgänger arbeitstäglich an seinen in der Schweiz gelegenen Beschäftigungsort, fällt er unabhängig von der Entfernung seines Wohnorts in der Bundesrepublik unter die Grenzgängerbesteuerung.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitstägliche Rückkehr zum Wohnort

Ein leitender Angestellter mit Wohnort in Karlsruhe ist bei einem Großkonzern in Basel beschäftigt. Der deutsche Arbeitnehmer fährt arbeitstäglich zwischen Karlsruhe und Basel.

Der Arbeitnehmer kann unter den übrigen Voraussetzungen Grenzgänger sein, die Entfernung von Karlsruhe zur schweizerischen Grenze ist ohne Bedeutung.

Eine regelmäßige Rückkehr wird auch angenommen, wenn sich die Arbeitszeit über mehrere Tage erstreckt. So sind z. B. deutsche Arbeitnehmer, die im Schichtdienst in der Schweiz ihre Arbeit verrichten, nach Arbeits­ende aber regelmäßig in ihre Wohnung im Inland zurückkehren, auch dann als Grenzgänger anzusehen, wenn Schichtbeginn und Schichtende auf verschiedene Kalendertage entfallen. Weitere Beispiele sind Arbeitnehmer, die im Hotel- oder Überwachungsgewerbe Nachtdienst verrichten, oder das Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst.[2]

Dabei ist es unerheblich, ob die tagesübergreifende Arbeitsleistung regelmäßig oder von Fall zu Fall erbracht wird. Außerdem liegen solche für die 60-Tage-Regelung unschädlichen Nichtrückkehrtage nicht nur vor, wenn sie berufstypisch, sondern auch wenn sie lediglich durch außergewöhnliche Gründe situationsbedingt sind. Die Rechtsprechung hat diese Rechtsauslegung allerdings zwischenzeitlich davon abhängig gemacht, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an seine kalendertagübergreifende aktive Tätigkeit tatsächlich in seine Wohnung am Ansässigkeitsstaat zurückkehrt. Ist der Arbeitnehmer dagegen nicht in den Wohnsitzstaat zurückgefahren, muss eine Anrechnung auf die 60-Tage-Grenze vorgenommen werden, wenn die Nichtrückkehr auf beruflichen Gründen beruhte.[3]

 
Wichtig

Geänderte Zählweise der Nichtrückkehrtage bei Rufbereitschaft (Pikettdienst)

Der BFH hält an der Unterscheidung zwischen Pikettdienst im Betrieb und Pikettdienst außerhalb des Betriebs nicht mehr fest.[4] Kehrt der Arbeitnehmer im Anschluss an eine normale Tagesschicht nicht an seinen Wohnsitz zurück, weil er eine Rufbereitschaft abzuleisten hat, sind die Tage der Wochenendbereitschaft als Einheit zu behandeln, auch wenn sich die Arbeitsausübung tatsächlich über eine oder sogar mehrere Tagesgrenzen hinaus erstreckt. Die Zusammenfassung eines mehrtägigen Arbeitseinsatzes hat zur Folge, dass insgesamt nur ein anzurechnender Nichtrückkehrtag vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nach Abschluss seiner Arbeitseinheit aus beruflichen Gründen am Tätigkeitsort verbleibt, z. B. weil sich ein regulärer Tagesdienst anschließt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rufbereitschaft wie beim Pikettdienst im Betrieb als Arbeitszeit anzusehen ist oder nicht (Pikettdienst außerhalb des Betriebs). Entscheidend ist allein, dass der Dienst aufgrund arbeitsrechtlicher Verpflichtung erbracht wird. Diese Auslegung deckt sich auch mit der zwischenzeitlich in der Konsulta...

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