Eine Sonderstellung nehmen Abfindungen ein. Entlassungsentschädigungen werden für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt und stellen keine Entlohnung für die frühere Tätigkeit dar. Das Besteuerungsrecht für solche Einmalzahlungen steht nach der Auslegung des OECD-Musterabkommens durch den BFH[1] dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat im Zeitpunkt der Auszahlung zu. Dies gilt auch für Abfindungszahlungen, die ein in der Schweiz ansässiger Arbeitnehmer für seine inländische Tätigkeit von einem deutschen Arbeitgeber erhält.[2] Die abweichende Zuweisung des Besteuerungsrechts an den ehemaligen Tätigkeitsstaat BRD durch die Konsultationsvereinbarungsverordnung[3] entfaltet für die Gerichte keine Bindungswirkung.[4]

Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates gilt auch für den Lohn, den ein französischer Arbeitnehmer von seinem deutschen Arbeitgeber für eine Freistellungsphase erhält, die im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung festgelegt wurde.[5] Dasselbe Ergebnis gilt für die Besteuerung der Lohnfortzahlung während der Freistellungsphase, auch wenn es sich um das Beschäftigungsverhältnis eines Grenzgängers zur Schweiz handelt.[6] Keine regelmäßige Rückkehr und damit keine Grenzgängereigenschaft besteht für den Zeitraum einer Freistellungsphase. Die Lohnbezüge eines von der Arbeit in der Schweiz freigestellten Grenzgängers unterliegen der Besteuerung im inländischen Ansässigkeitsstaat.

Eine Sonderregelung sieht das mit Frankreich[7] getroffene DBA[8] vor. Die zwischen der Abfindung und Tätigkeit bestehende Kausalität ist ausreichend, um die Besteuerung dem ehemaligen Tätigkeitsstaat zuzuweisen.[9] Dies gilt auch für Abfindungszahlungen bei französischen Grenzgängern. Das FG Baden-Württemberg verneint in seiner Entscheidung die Anwendung der Grenzgängerbesteuerung nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich durch den Wohnsitzstaat.[10]

Durch die Rechtsprechung des BFH geht das Besteuerungsrecht in den sog. Wegzugsfällen entgegen den in den Konsultationsvereinbarungen getroffenen Regelungen dem ehemaligen Tätigkeitsstaat verloren, obwohl der neue Ansässigkeitsstaat auf eine Besteuerung der Abfindungszahlung ausdrücklich verzichtet hat. Dies hätte eine vollständige Nichtbesteuerung von Abfindungszahlungen in Wegzugsfällen zur Folge. Seit 1.1.2017 wird deshalb für Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eine generelle Besteuerung des früheren Tätigkeitsstaates geregelt.[11] § 50d Abs. 12 EStG legt für die Besteuerung von Abfindungsentschädigungen bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern eine gesetzliche Rückfallklausel fest, die auch im Lohnsteuerverfahren Anwendung findet. Abfindungszahlungen aus Anlass der Beendigung einer Beschäftigung gelten als Entgelt für eine früher geleistete Tätigkeit. Damit wird das Besteuerungsrecht in den sog. Wegzugsfällen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht dem ehemaligen Tätigkeitsstaat zugewiesen.[12] Wurde die Tätigkeit in verschiedenen Staaten ausgebübt, ist eine zeitanteilige Aufteilung des Besteuerungsrechts auf die jeweiligen Tätigkeitsstaaten vorzunehmen.[13] Trifft das jeweilige DBA für Abfindungen in einer gesonderten Vorschrift ausdrücklich eine hiervon abweichende Sonderregelung, wird durch § 50d Abs. 12 Satz 2 EStG sichergestellt, dass diese anzuwenden bleibt.

[8] Art. 13 Abs. 1 DBA/FR.
[9] FG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.2.2020, 6 K 1055/18, DStRE 2021 S. 257, Rev. eingelegt, Az beim BFH I R 30/20; FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.4.2021, 9 K 9024/20, EFG 2022 S. 1022, Rev. eingelegt, Az beim BFH I R 28/21; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 17.11.2021, 1 K 2222/18, EFG 2022 S. 313, Rev. eingelegt, Az beim BFH I R 4/22, zum DBA/Lux.
[10] S. Abschnitt 4.1.
[11] § 52d Abs. 12 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl 2016 I S. 3000.

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