BMF, 10.3.2005, IV A 4 - S 0062 - 1/05

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden im Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 15.7.1998 (BStBl 1998 I S. 630), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 3.1.2005 (BStBl 2005 I S. 3) geändert worden ist, nach der Regelung zu § 91 folgende Regelungen eingefügt:

Zu § 92 – Beweismittel

Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85). Sie müssen dazu den steuererheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufklären (§ 88). Hierbei sind sie auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung der Beteiligten (§ 90) angewiesen.

Es besteht dabei zwar keine Verpflichtung der Finanzbehörden, in jedem Fall alle Angaben des Beteiligten auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen (vgl. zu § 88); soweit die Finanzbehörde im Einzelfall jedoch Anlass dazu sieht, hat sie die Angaben des Beteiligten zu überprüfen. Anderenfalls ergäbe sich eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft und der Ehrlichkeit des einzelnen Beteiligten beruhte (vgl. BVerfG-Urteil vom 27.6.1991, BStBl 1991 II S. 654).

Die Finanzbehörde kann sich zur Ermittlung des steuerrelevanten Sachverhalts aller Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92). Die Erforderlichkeit der Beweiserhebung ist von der Finanzbehörde nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles im Wege der Prognose zu beurteilen.

Zu § 93 – Auskunftspflicht der Beteiligten und anderer Personen

1. Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1

1.1 Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind im gesamten Besteuerungsverfahren, d.h. auch im Rechtsbehelfsverfahren oder im Vollstreckungsverfahren (§ 249 Abs. 2 Satz 1; BFH-Urteil vom 22.2.2000, BStBl 2000 II S. 366), möglich. Im Rahmen der Außenprüfung und der Steuerfahndung sind die Regelungen in §§ 200, 208, 210 und 211 zu beachten. Im Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gelten nach § 385 Abs. 1 und § 410 Abs. 1 die Vorschriften der StPO und des OWiG.

1.2 Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ist, dass die Heranziehung eines Auskunftspflichtigen im Einzelfall aufgrund hinreichender konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986, BStBl 1988 II S. 359 und vom 18.3.1987, BStBl 1987 II S. 419). Unter dieser Voraussetzung sind grundsätzlich auch Sammelauskunftsersuchen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1989, BStBl 1990 II S. 198). Unzulässig sind Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein” (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990, BStBl 1991 II S. 277).

Darüber hinaus müssen die Auskunft zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und dessen Inanspruchnahme geeignet, erforderlich und zumutbar sein (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 und vom 24.10.1989, jeweils a.a.O.). Die Erforderlichkeit eines Auskunftsersuchens ist von der zuständigen Finanzbehörde nach den Umständen des Einzelfalles und unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungen im Wege der Prognose zu beurteilen. Die Erforderlichkeit setzt keinen begründeten Verdacht voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen; es genügt, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 17.3.1992, BFH/NV 1992 S. 791).

1.3 Die Finanzämter können Auskunftsersuchen an die Beteiligten (§ 78), aber auch an andere Personen richten, wenn das Ersuchen zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich ist.

1.4 Die Auskunftspflicht anderer Personen ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000, BStBl 2000 II S. 366 und Beschluss des BVerfG vom 15.11.2000, BStBl 2002 II S. 142). Eine Auskunftspflicht besteht nicht, soweit dem Dritten ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht (vgl. §§ 101 – 103).

An Dritte soll mit Auskunftsersuchen erst herangetreten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten selbst nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3). Unerheblich ist dabei, worauf dies zurück zu führen ist. Ob die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 vorliegen, entscheidet die Finanzbehörde im Einzelfall anhand einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000, a.a.O.).

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie zwar versucht worden ist, aber letztlich nicht gelungen ist. Unerheblich ist dabei insbesondere, ob die Beteiligten den Sachverhalt nicht aufklären konnten oder wollten.

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten verspricht keinen Erfolg, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles oder nach den bisherigen Erfahrungen der Finanzbehörde mit den Beteiligten nicht zu erwarten ist. Auskunftsersuchen an Dritte können insbesondere ...

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