Die Forderung, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung), muss entstanden und fällig sein.[1] Die Fälligkeit einer Steuerforderung der Finanzbehörden kann z. B. durch Stundung hinausgeschoben sein. Eine Aussetzung der Vollziehung schiebt die Fälligkeit nicht hinaus. Gleichwohl darf die Finanzbehörde nicht mit der "ausgesetzten" Steuerforderung aufrechnen, da die Aufrechnung einen – untersagten – Vollzug des Steuerbescheids bedeuten würde.[2] Entsprechend hat das FG Münster entschieden, dass das Finanzamt gegen einen abgetretenen Kostenerstattungsanspruch nicht wirksam mit einer Steuerforderung aufrechnen kann, die im Zeitpunkt der Abtretung von der Vollziehung ausgesetzt war.[3] Bei Aufrechnung des Steuerpflichtigen mit einem Vergütungs- oder Erstattungsanspruch, der auf einer Steueranmeldung beruht, hängt die Fälligkeit von der Zustimmung des Finanzamts ab.[4]

Eine wegen fehlender Fälligkeit der Gegenforderung unwirksame Aufrechnungserklärung wird nicht nachträglich dadurch wirksam, dass die Fälligkeit später eintritt. In diesem Fall muss die Aufrechnung nochmals erklärt werden.

Die Gegenforderung darf auch nicht durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sein.[5]

Der Steuerpflichtige kann nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.[6] Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, das Aufkommen an öffentlichen Einnahmen durch die Geltendmachung ungewisser oder zweifelhafter Gegenforderungen nicht zu gefährden. Rechtskräftig festgestellt ist eine Gegenforderung dann, wenn ein unanfechtbarer Verwaltungsakt oder ein unanfechtbares Urteil vorliegt. Dagegen kann das Finanzamt auch mit bestrittenen Forderungen aufrechnen.[7]

Nach § 226 Abs. 3 AO ist es für eine wirksame Aufrechnung mit einer verjährten Gegenforderung (§ 215 BGB) gegen eine Steuerforderung erforderlich, dass die Gegenforderung bereits in dem Zeitpunkt unbestritten oder rechtskräftig festgestellt war, in dem sich die Forderungen aufrechenbar und nicht verjährt gegenüber gestanden haben.[8]

 
Hinweis

Verrechnungsangebot der Finanzverwaltung

Die Praxis der Finanzämter, eine maschinelle Verrechnung von Steuerguthaben mit höchstens einen Monat später fällig werdenden Steuern im Wege der Abrechnungsmitteilung vorzunehmen, ist (mangels Fälligkeit der Gegenforderung) keine wirksame Aufrechnung, sondern nur ein Verrechnungsangebot.

Die in § 225 Abs. 2 AO angeordnete Tilgungsreihenfolge gilt nur für freiwillige Zahlungen des Steuerschuldners. Gegen welche Ansprüche die Aufrechnung erklärt wird, entscheidet gem. § 226 Abs. 1 AO i.V. mit § 396 Abs. 1 BGB der Aufrechnende, im Verrechnungsfall also das Finanzamt.[9]

Bei Aufrechnung mit Ansprüchen aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungsfestsetzungen ist zu beachten, dass der Umsatzsteuer-Jahresbescheid die Fälligkeit rückständiger Vorauszahlungen zwar unberührt lässt. Da die Ansprüche auf Vorauszahlung jedoch materiell-rechtlich in dem Anspruch auf die ­Jahressteuer aufgehen, ist eine Aufrechnung mit Ansprüchen aus den Voranmeldungszeiträumen ausgeschlossen, wenn die Umsatzsteuer mit dem Jahresbescheid auf 0 EUR festgesetzt wird.[10]

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