Entsprechend dem BGB setzt die Aufrechnung auch im Steuerrecht die Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Ansprüche, die Erfüllbarkeit der Hauptforderung und die Fälligkeit der Gegenforderung voraus.

Gegenstand der Aufrechnung können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sowie schuldrechtliche Ansprüche aller Art sein. Neben dem Steueranspruch gehören hierzu

  • der Haftungsanspruch,
  • der Erstattungs- und Rückforderungsanspruch,
  • der Steuervergütungsanspruch, der Anspruch auf steuerliche Nebenleistungen, z. B. Verspätungszuschläge,
  • Kostenerstattungs- und Vorsteuervergütungsansprüche.

Dagegen kann gegen Geldbußen und Kosten des Bußgeld- und Strafverfahrens nicht aufgerechnet werden.

1.1 Gleichartigkeit

Da die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis Geldansprüche sind, müssen Haupt- und Gegenforderung ebenfalls Geldansprüche sein. Auf den Schuldgrund kommt es nicht an. Folglich kann gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auch mit zivilrechtlichen Forderungen aufgerechnet werden und umgekehrt.

1.2 Gegenseitigkeit

Gegenseitigkeit bedeutet Schuldner- und Gläubigeridentität, d. h. Hauptforderung und Gegenforderung müssen zwischen denselben Personen bestehen. Der Schuldner des einen Anspruchs muss Gläubiger des anderen Anspruchs sein. Aufrechenbar ist daher nur der eigene Anspruch, nicht der Anspruch eines Dritten.

 
Hinweis

Keine gegenseitige Aufrechnung bei Zusammenveranlagung

Auswirkungen hat dies z. B. bei Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern, die zusammenveranlagt werden. Hier kann das Finanzamt gegen den Anspruch des einen Ehegatten auf Erstattung überzahlter Steuern nicht mit rückständigen Steuerschulden des anderen Ehegatten aufrechnen.[1]

Entsprechendes gilt für die Ebene Gesellschaft-Gesellschafter. Hier ist das Finanzamt z. B. nicht berechtigt, gegenüber Erstattungsansprüchen des Gesellschafters mit Steueransprüchen gegen die Gesellschaft aufzurechnen.[2]

Die erforderliche Gegenseitigkeit liegt ebenfalls nicht vor bei Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers, der seinerseits abzuführende Lohnsteuer schuldet, da der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber die Lohnsteuer schuldet. Hat der Steuerpflichtige einen Erstattungs- oder Vergütungsanspruch an einen Dritten abgetreten, bestimmt § 398 Satz 2 BGB, dass mit Vertragsabschluss der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Dies kann z. B. dazu führen, dass, wenn das Finanzamt seinerseits einen Anspruch gegen den Neugläubiger hat, die Gleichartigkeit insoweit hergestellt wird.[3]

Nach Abtretung des Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs ist die Aufrechnung des Finanzamts mit einem ihm gegen den Altgläubiger zustehenden Anspruch dem Neugläubiger gegenüber grundsätzlich möglich (§ 406 BGB). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Finanzamt bei Entstehen seiner Gegenforderung von der Abtretung keine Kenntnis hatte und die Gegenforderung fällig war, bevor der Erstattungs- oder Vergütungsanspruch fällig war und abgetreten worden ist.[4]

Auch der Neugläubiger kann mit dem auf ihn übergegangenen Anspruch des Altgläubigers gegen den gegen ihn gerichteten Steueranspruch des Finanzamts aufrechnen.[5]

Will das Finanzamt selbst aufrechnen, muss es der Aufrechnung des Neugläubigers zuvorkommen. Eine gegenüber dem Altgläubiger in Unkenntnis der Abtretung erklärte Aufrechnung muss der Neugläubiger gegen sich gelten lassen.[6] Eine Prozessvollmacht ­ermächtigt dazu, mit einem Kostener­stattungsanspruch des Vollmachtge­bers gegen die Forderung aufzurechnen, zu deren Abwehr die Vollmacht erteilt worden war. Entsprechend kann daher das ­Finanzamt als Kostenschuldner mit Steuer- oder Haftungsforderungen aufrechnen.[7]

 
Hinweis

Prüfung der Gegenseitigkeit

Bei Prüfung der Gegenseitigkeit ist ferner die Regelung des § 226 Abs. 4 AO zu beachten. Die Grundvoraussetzung, dass Schuldner und Gläubiger identisch sein müssen, ergänzt § 226 Abs. 4 AO dahingehend, dass als Gläubiger und Schuldner des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die steuerverwaltende Körperschaft gilt. Damit sollen Schwierigkeiten bei der Aufrechnung vermieden werden, die dann auftreten würden, wenn bei den aufzurechnenden Ansprüchen die ertragsberechtigten Körperschaften nicht identisch sind.

Soweit sich die Aufrechnungslage weder aus § 226 Abs. 1 AO noch aus § 226 Abs. 4 AO ergibt, kann die erforderliche Gegenseitigkeit seitens der Finanzverwaltung dadurch hergestellt werden, dass zwecks Einziehung der zu erhebende Anspruch an die Körperschaft, die den anderen Anspruch zu erfüllen hat, abgetreten und damit die Gläubiger-/Schuldneridentität i. S. d. § 226 Abs. 1 AO hergestellt wird.[8] Das sich aus § 395 BGB ergebende Erfordernis der Kassenidentität findet bei der Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen keine Anwendung.[9]

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