Leitsatz

1. Ob die von einem Warenproduzenten im Rahmen des Vertriebs in Warenhäusern beschäftigten Servicekräfte als Arbeitnehmer anzusehen sind, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.

2. Die Nachforderung pauschaler LSt beim Arbeitgeber setzt voraus, dass der Arbeitgeber der Pauschalierung zustimmt.

 

Normenkette

§ 38 Abs. 1, § 38a Abs. 1 S. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 3, § 8 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin produziert vor allem für Endverbraucher Reinigungsmittel und vertreibt diese u.a. über SB-Warenhäuser. Auf Wunsch der Warenhäuser beauftragte sie Servicekräfte mit der Regalpflege, insbesondere zur Warenannahme, -auszeichnung und Regalauffüllung. Die Vereinbarungen sahen vor, dass die Servicekräfte als selbstständige (Klein)-Unternehmer ohne USt die Leistungen vor Ort erbringen sollten. Als Stundenvergütung waren 9 DM bei maximal 3,5 Stunden pro Woche vereinbart. Der Leiter des Warenhauses bestätigte die Zahl der Arbeitsstunden.

Nach einer LSt-Außenprüfung qualifizierte das FA die Servicekräfte als Arbeitnehmer und forderte dafür LSt nach. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Sächsisches FG, Urteil vom 09.11.2005, 2 K 2709/03, Haufe-Index 1556531).

 

Entscheidung

Der BFH teilte die Auffassung der Vorinstanz, dass die Servicekräfte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Er hob die Entscheidung allerdings auf und verwies die Sache zurück, weil mit den bisherigen Feststellungen nicht zu beurteilen war, ob tatsächlich die Voraussetzungen für einen LSt-Nachforderungsbescheid vorlagen.

 

Hinweis

Ein weiteres Mal hatte der BFH über die einkommensteuerrechtliche Qualifikation des Arbeitnehmers i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 2 S. 1, 2 LStDVO zu entscheiden. Hier war die materiell-rechtliche Frage in die Überprüfung eines LSt-Nachforderungsbescheids gekleidet. Das Ergebnis: die materiellen Voraussetzungen (Arbeitnehmereigenschaft) lagen zwar vor, ob aber der Arbeitgeber durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden konnte, bedurfte noch der Aufklärung.

1. Der BFH zog zur Beantwortung der Frage, ob die Servicekräfte als Arbeitnehmer zu qualifizieren seien, seine langjährige, auf die "Werbedamenentscheidung" (BFH, Urteil vom 14.06.1985, VI R 150/82, Haufe-Index 61067, BStBl II 1985, 661) zurückgehende Rechtsprechung heran. Danach ist der Begriff des Arbeitnehmers ein offener Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen zu beschreiben ist. Es ist jeweils der Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Dabei sind die für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale, wie – beispielhaft aber nicht abschließend (Typusbegriff) – in der Werbedamenentscheidung im Einzelnen aufgeführt, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.

Diese Aufgabe obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz und ist als tatrichterliche Beurteilung revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Auf Grundlage der für die Revisionsinstanz bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) und der darauf aufbauenden Würdigung und Gewichtung der Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs der Tatsacheninstanz war diese im Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; eine eigene Würdigung war der Revisionsinstanz insoweit verwehrt (BFH, Urteil vom 02.12.2005, VI R 16/03, BFH/NV 2006, 544).

Daran zeigt sich: Geht es im Wesentlichen um die Würdigung und Gewichtung tatsächlicher Umstände, findet prozessual die entscheidende Weichenstellung in der Tatsacheninstanz statt. Dies muss für den Prozessvertreter bedeuten, schon hier den substanziierten Sachvortrag zu liefern, den Sachverhalt ausführlich darzulegen und gegebenenfalls Beweisanträge zu stellen. In der Revisionsinstanz ist es dafür zu spät.

2. Nach Klärung der Arbeitnehmereigenschaft stellte sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein LSt-Nachforderungsbescheid für pauschale LSt ergehen kann. Dazu die Klarstellung des BFH: Die Nachforderung von LSt beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid (LSt-Nachforderungsbescheid) setzt eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers voraus, die auch bei der LSt-Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG in Betracht komme.

Allerdings: Pauschale LSt schuldet der Arbeitgeber nur, wenn er der Pauschalierung zustimmt. Der BFH verweist dazu auf den Wortlaut der Norm ("Der Arbeitgeber kann …"). § 40a Abs. 2 EStG überlasse die Wahl des Erhebungsverfahrens dem Arbeitgeber. Daher stehe es dem Arbeitgeber frei, ob und für welche Arbeitnehmer er von der Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch mache. Gegen den Willen des Arbeitgebers dürfe sie jedenfalls nicht vorgenommen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.11.2008 VI R 4/06

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