BMF, 3.4.2017, IV C 1 - S 2299/16/10002

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des § 36a EStG Folgendes:

 

I. Allgemeines

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Anrechnungsberechtigter

Zur Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf Kapitalerträge nach § 36 Absatz 2 Nummer 2 EStG ist der Anteilseigner berechtigt. Nach § 20 Absatz 5 Satz 1 und 2 EStG i. V. m. § 39 Absatz 1 AO ist Anteilseigner grundsätzlich derjenige, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses Eigentümer der Anteile oder Genussscheine ist. Sofern eine andere Person die Voraussetzungen i.S. des § 39 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 AO erfüllt, ist diese Person als wirtschaftlicher Eigentümer zur Anrechnung berechtigt.

 

II. Erweiterte Anrechnungsvoraussetzungen des § 36a EStG

 

1. Mindesthaltezeitraum, Mindesthaltedauer

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Die Anrechnung setzt nach § 36a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 i. V. m. Absatz 2 EStG voraus, dass der Steuerpflichtige innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach der Fälligkeit der Kapitalerträge (Mindesthaltezeitraum) an mindestens 45 Tagen ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile oder Genussscheine ist (Mindesthaltedauer).

a) Fälligkeit der Kapitalerträge

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Die Fälligkeit der Kapitalerträge bestimmt sich bei Aktien nach dem Gewinnverteilungsbeschluss der Hauptversammlung, bei Genussscheinen nach den Emissionsbedingungen. Beschließt die Hauptversammlung über die Höhe der Gewinnausschüttung, fehlt aber ein Beschluss über den Tag der Auszahlung, so gilt in entsprechender Anwendung von § 44 Absatz 2 Satz 2 EStG der Tag nach der Beschlussfassung als Tag der Fälligkeit, sofern sich keine abweichende Fälligkeit durch eine gesetzliche Regelung oder durch eine Satzungsregelung ergibt. Nach § 58 Absatz 4 Satz 2 AktG in der ab 2017 anzuwendenden Fassung ist der Dividendenanspruch am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss folgenden Geschäftstag (entspricht dem Bankarbeitstag, § 675n Absatz 1 Satz 4 BGB) fällig. In dem Hauptversammlungsbeschluss oder in der Satzung kann eine spätere Fälligkeit festgelegt werden (§ 58 Absatz 4 Satz 3 AktG).

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Der erste Geschäftstag nach der Hauptversammlung wird als „Ex-Tag” bezeichnet. Es wird nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige für die Bestimmung des Mindesthaltezeitraums und der Mindesthaltedauer innerhalb des Mindesthaltezeitraums (Rz. 6) generell auf den Ex-Tag abstellt.

b) Beginn und Ende der tatsächlichen Haltedauer

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Maßgebend für den Beginn der tatsächlichen Haltedauer ist der Tag, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum erwirbt. Die Haltedauer endet an dem Tag, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum verliert. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für die Zwecke der Ermittlung der tatsächlichen Haltedauer bei Geschäften mit bis zu dreitägiger Lieferfrist generell auf den Tag abgestellt wird, an dem das Verpflichtungsgeschäft zum Erwerb und zur Veräußerung der Anteile oder Genussscheine abgeschlossen wird (Handelstag).

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Wenn das wirtschaftliche Eigentum vor dem Mindesthaltezeitraum erworben wurde, beginnt die Mindesthaltedauer am 45. Tag vor dem Tag der Fälligkeit der Kapitalerträge.

c) Berechnung der Haltedauer

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Für die Berechnung der Haltedauer sind nur diejenigen Tage einzubeziehen, an denen während des gesamten Kalendertages das wirtschaftliche Eigentum bestand. Daher sind der Tag, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum erwirbt, und der Tag, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum überträgt oder in sonstiger Weise verliert, nicht mitzurechnen.

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Bei der Berechnung der Mindesthaltedauer ist § 108 Abs. 3 AO zu berücksichtigen.

 

2. Mindestwertänderungsrisiko

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Der Steuerpflichtige muss nach § 36a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG während der Mindesthaltedauer ununterbrochen das in § 36a Absatz 3 Satz 1 EStG definierte Mindestwertänderungsrisiko tragen. § 36a Absatz 3 Satz 1 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige unter Berücksichtigung von gegenläufigen Ansprüchen und Ansprüchen nahe stehender Personen das Risiko aus einem sinkenden gemeinen Wert i.S. des § 9 BewG der Anteile oder Genussscheine im Umfang von mindestens 70 % trägt.

a) Generell fehlendes Wertänderungsrisiko

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Bei einem Wertpapierdarlehen i.S. des § 607 BGB (im allgemeinen Sprachgebrauch als „Wertpapierleihe” bezeichnet) trägt der Darlehensnehmer kein Wertänderungsrisiko, da er bei Fälligkeit der Rückgabeverpflichtung lediglich Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge an den Darlehensgeber zurück zu übertragen hat, ohne dass eine zwischenzeitlich eingetretene Wertveränderung auszugleichen wäre.

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Aufgrund eines im Vorhinein vereinbarten Rückkaufpreises trägt der Pensionsnehmer eines Wertpapierpensionsgeschäfts regelmäßig kein oder kein hinreichendes Wertänderungsrisiko. Dies gilt gleichermaßen für echte und unechte Wertpapierpensionsgeschäfte. Ein Wertpapierpensionsgeschäft liegt vor, wenn ein Pensionsgeber Wertpapiere auf Zeit gegen Entgelt auf einen Pensionsnehmer zivilrechtlich überträgt. Das G...

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