BMF, 20.2.2020, III C 2 - S 7107/19/10009 :003

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Oktober 2019, in dem Sie Anwendungsfragen des § 2b UStG thematisieren.

Viele der Fragestellungen werden bereits derzeit auf Bund-Länder-Ebene erörtert. Ein Großteil der vorgelegten und möglichen zukünftigen Fragen zur Steuerbarkeit lassen sich mit folgenden zwei Regeln beantworten:

  1. Privatrechtliche Verträge führen unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG zur Steuerbarkeit der Leistung.
  2. Bei Erbringung einer Leistung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ist grundsätzlich davon auszugehen, dass durch die Möglichkeit, diese Leistung auch von Privaten erhalten zu können, Wettbewerb besteht und eine fehlende Steuerbarkeit zu einer Verzerrung dieses Wettbewerbs führen würde, mithin die Anwendung von § 2b UStG ausgeschlossen ist. Bei § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG ist eine gesonderte Wettbewerbsprüfung durchzuführen (siehe BMF-Schreiben vom 14. November 2019).

§ 2b UStG privilegiert bestimmte Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und verfolgt gleichzeitig das Ziel, Verzerrungen des Wettbewerbs zu verhindern, wenn gleiche Leistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und privaten Wettbewerbern angeboten werden. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Organisationsfreiheit der betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts lässt sich daraus nicht herleiten. Die Tatsache, dass eine Ausnahme von einer allgemein gültigen Regel auf eine bestimmte Konstellation keine ständige Anwendung findet, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen wird, ob im konkreten Fall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2b UStG für eine Nichtsteuerbarkeit vorliegen, stellt keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung dar.

Die mögliche Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Generelle Anwendungsfragen werden mit Blick auf die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in einem die Gesetzesänderung begleitenden BMF-Schreiben geregelt werden.

Ihr Schreiben wird zudem bei der weiteren Erörterung der Fragen der umsatzsteuerlichen Organschaft/ Gruppenbesteuerung berücksichtigt.

Unter Bezugnahme auf die Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zudem Folgendes:

 

1. Interkommunale Rechenzentren

Erbringen interkommunale Rechenzentren Leistungen, die gleichartig im Wettbewerb auch von privaten Dritten erbracht werden können, würde die Nichtbesteuerung dieser Leistungen zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Daher ist regelmäßig von einer Unternehmereigenschaft auszugehen.

 

2. Interkommunale Callcenter und der D115-Verbund

Die Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für den Bürger durch ein Callcenter ist auch privaten Anbietern möglich. Daher ist regelmäßig von einer Unternehmereigenschaft auszugehen. Zu den etwaigen Leistungsbeziehungen innerhalb des D115-Verbundes enthält die Anfrage keine ausreichenden Informationen.

 

3. Gemeinsame Einrichtungen zur Beihilfe-, Besoldungs- und Gehaltsabrechnung

Zu den gemeinsamen Einrichtungen zur Beihilfe-, Besoldungs- und Gehaltsabrechnung ist ein gesondertes Schreiben des BMF geplant.

 

4. Personalgestellungen

Durch die Streichung des § 2 Abs. 3 UStG in der Fassung von 2015 sind frühere Anknüpfungspunkte der Körperschaftsteuer nicht mehr maßgeblich für die umsatzsteuerliche Beurteilung. Ob eine Unternehmereigenschaft vorliegt, bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 UStG.

Infolgedessen hat die Rechtsfigur der Beistandsleistungen umsatzsteuerlich keine Bedeutung mehr. Insbesondere ist irrelevant, ob der Leistungsaustausch zwischen Hoheitsbereichen im Sinne der Körperschaftsteuer stattfindet.

Darüber hinaus werden regelmäßig Personalgestellungen bzw. Personalüberlassungen umsatzsteuerbar, die bisher mangels Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art nicht als unternehmerisch gegolten haben.

Bei sogenannten „Umstrukturierungsfällen” gelten ebenfalls die allgemeinen Regelungen. Die in der Vergangenheit beschlossenen besonderen Verwaltungsregelungen zur Personalüberlassung in Umstrukturierungsfällen finden bei Anwendbarkeit des § 2b UStG (Übergangszeitraum nach § 27 Abs. 22 UStG) für die Umsatzsteuer keine Anwendung mehr. Damit unterliegen sämtliche Personalüberlassungen bei Umstrukturierungen, unabhängig davon, wann sie begründet wurden, mit Anwendung des § 2b UStG bei der jeweiligen jPöR, der Umsatzsteuer. Aus dem Begriff der Amtshilfe allgemein können keine umsatzsteuerlichen Folgen abgeleitet werden, sondern der Einzelfall ist zu betrachten.

Grundsätzlich gilt: Die entgeltliche Überlassung von Personal stellt einen nachhaltigen Leistungsaustausch dar, der zur Unternehmereigenschaft führt. Wenn Personal gegen Entgelt überlassen wird, liegt grundsätzlich ein steuerbarer und steuerpflichtiger Vorgang vor. Die Unternehmereigenschaft kann im Einzelfall entfallen, wenn keine größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinn...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge