Rz. 46

Den auf die Informationsbedürfnisse des kapitalmarktorientierten Adressaten ausgelegten IFRS fehlt ein striktes Bilanzgliederungsschema, wie es das HGB kennt. Dieser Umstand bietet den Unternehmen die Möglichkeit, möglichst (entscheidungs-)relevante Informationen für den Adressaten bereitzustellen. Das Unternehmen kann auf die individuellen Gegebenheiten der Geschäftstätigkeit oder der Unternehmenslage mittels flexibler Gliederung eingehen. Ein Nachteil dieser Systematik ist, dass die ausgewiesenen Posten zwischenbetrieblich nicht einfach auf der Basis standardisierter Kennzahlen verglichen werden können. Insofern tragen die Regelungen des HGB eher dem Gedanken der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit auf Basis standardisierter Verfahren Rechnung. Die Mindestgliederung der Bilanz fordert gem. IAS 1.54 nur folgende vergleichbare Positionen mit dem Anlagevermögen nach HGB:

 
  Bezeichnung Verweis
a. Sachanlagen, IAS 16
b. als Finanzinvestition gehaltene Immobilien, IAS 40
c.

immaterielle Vermögenswerte

(Geschäfts- oder Firmenwert),
IAS 38 (IFRS 3)
d. finanzielle Vermögenswerte (ohne (e), (h) und (i)), IFRS 9, IFRS 7
e. nach der Equity-Methode bilanzierte Finanzanlagen, IAS 28
f. biologische Vermögenswerte, IAS 41
j. die Summe der Vermögenswerte, die gem. IFRS 5 als zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche zur Veräußerung gehalten eingestuft werden, und der Vermögenswerte, die zu einer als zur Veräußerung gehaltenen Veräußerungsgruppe gehören, IFRS 5

In der Praxis ist eine nur geringe weitere Unterteilung festzustellen. So berichteten die Unternehmen des DAX 30 in ihren Konzernanhängen durchschnittlich 3,7 Anlageklassen bei Sachanlagen (Median: 3,0, Minima 1 und Maxima 9) und für durchschnittlich 3,0 Anlageklassen bei immateriellen Vermögenswerten (Median: 2,0, Minima 1 und Maxima 6).[1] Zudem erfolgt im Regelfall die Gliederung der Bilanz nach Fristigkeit.[2] Entscheidungskriterium für die Unterteilung ist die Länge des Geschäftszyklus. Eine konkrete Vorgabe hinsichtlich der Länge ist seitens des IASB nicht gemacht worden, lediglich die eindeutige Identifizierbarkeit des Geschäftszyklus muss gegeben sein.[3] Der Geschäftszyklus beschreibt die Zeitspanne zwischen Erwerb von Vermögenswerten, die in den Produktionsprozess eingehen, und deren Umwandlung in Zahlungsmittel/-äquivalente (Verkauf).[4] Die Länge des Geschäftszyklus ist bei Unternehmen in einigen Branchen im Bereich Dienstleistung, Industrie und Handel einfach identifizierbar. Häufig beträgt der Geschäftszyklus für diese Branchen einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten. Problematisch erscheint die Identifikation der Länge des Zyklus bei Unternehmen, die verschiedene Tätigkeitsfelder aufweisen. Als Beispiel hierfür wäre Siemens als Mischkonzern heranzuziehen, dessen Tätigkeiten sowohl lange Zyklen, wie Planung und Bau von Investitionsgütern (z. B. Kraftwerke), als auch kurze Zyklen, wie bei der Produktion von Konsumgütern (z. B. Computer), umfasst.[5] Für diese Fälle sieht IAS 1.68 vor, dass eine Länge von 12 Monaten anzunehmen ist. Das deutsche Rechnungslegungs Interpretations Committee (RIC) empfiehlt in diesem Fall zusätzlich eine Anhangangabe, die auf diesen Sachverhalt hinweist.[6] Deutlich wird, dass das Hauptkriterium für die vorzunehmende Zuordnung die (Rest-)Verweildauer des Vermögenswerts im Unternehmen ist. Diese umfasst als Zeitraum den Geschäftszyklus bzw. den Zeitraum von 12 Monaten und ist damit zweigeteilt. Letztlich ergibt sich hieraus die Gliederung der Bilanz in kurz- und langfristige Vermögenswerte.

 

Rz. 47

Für den Ausweis von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten gilt diese strenge Unterteilung allerdings nicht: Weisen diese eine Restnutzungsdauer von weniger als 12 Monaten auf, erfolgt der Ausweis dennoch unter den langfristigen Posten.[7] Auch der in den nächsten 12 Monaten im Rahmen der planmäßigen Abschreibungen erwartete Werteverzehr der Sachanlagen, ist nicht als kurzfristiger Anteil der Sachanlagen auszuweisen.[8] Der Ausweis von geleisteten Anzahlungen kann gem. IAS 1.78b unter den (sonstigen) Forderungen und Vermögenswerten erfolgen. Allerdings wird mit einer differenzierten Betrachtung eine klarere Darstellung erreicht. So kann der Ausweis einer geleisteten Anzahlung auf einen Gegenstand des Sachanlagevermögens als langfristig eingeordnet und unter dem Sachanlagevermögen ausgewiesen werden.

[1] Vgl. Reinke/Müller, PiR 2021, S. 303 ff.
[5] Vgl. Blase/Lange/Müller, IFRS: Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, IBP 9, 2010, S. 46  ff.
[6] RIC 1.17.
[7] RIC 1.26.
[8] Vgl. Blase/Lange/Müller, IFRS: Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, IBP 9, 2010, S. 52.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge