Rz. 720

[Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung → Zeilen 91–117]

Führt ein Steuerpflichtiger aus beruflichen Gründen zwei Haushalte und trägt die Kosten dafür, können die Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) unter folgenden Voraussetzungen als WK geltend gemacht werden:

  • keine Auswärtstätigkeit
  • eigener Hausstand (Hauptwohnung) außerhalb des Beschäftigungsorts
  • zweiter Haushalt am oder in der Nähe des Beschäftigungsorts
  • berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung

Der Familienstand des Steuerpflichtigen ist dabei grds. ohne Bedeutung. Eine doppelte Haushaltsführung ist bei Verheirateten, Ledigen und eheähnlichen Gemeinschaften möglich.

 

Rz. 721

Keine Auswärtstätigkeit

Der entscheidende Unterschied zur Auswärtstätigkeit besteht darin, dass der Arbeitnehmer hier an seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wird und hierfür einen zweiten Hausstand benötigt (R 9.11 Abs. 1 Satz 2 LStR 2015). Ist die Tätigkeit an der auswärtigen Tätigkeitsstätte dagegen von vornherein (auf maximal 48 Monate) befristet, wird sie nicht (allein durch Zeitablauf) zur ersten Tätigkeitsstätte, und es ist für gesamte Dauer der Tätigkeit der Abzug von Reisekosten möglich (→ Tz 704).

 
Praxis-Beispiel

Abordnung an zweite Betriebsstätte

Ein Arbeitnehmer wird für ein halbes Jahr an eine zweite Betriebsstätte abgeordnet. Da die Betriebsstätte zu weit von der bisherigen Tätigkeitsstätte weg ist, um täglich zu pendeln, sucht er sich eine Unterkunft in der Nähe der zweiten Betriebsstätte. Danach wird er auf Dauer an die zweite Betriebsstätte versetzt.

Solange der Arbeitnehmer abgeordnet ist, liegt eine Auswärtstätigkeit vor, denn die Tätigkeit an der auswärtigen Tätigkeitsstätte ist vorübergehend und damit keine Tätigkeit an der ersten Tätigkeitsstätte. Für die Zeit der Abordnung kann der Arbeitnehmer Reisekosten geltend machen.

Mit der Versetzung endet die Auswärtstätigkeit, denn die auswärtige Tätigkeitsstätte wird jetzt neue erste Tätigkeitsstätte. Damit ist jetzt eine beruflich veranlasste Haushaltsführung mit dem entsprechenden Kostenabzug gegeben.

 

Rz. 722

Eigener Hausstand

Die Hauptwohnung (eigener Hausstand) darf sich nicht am bzw. in der Nähe des Orts der ersten Tätigkeitsstätte befinden. Während der BFH verlangt, dass die Wohnung so weit von der ersten Tätigkeitsstätte entfernt liegt, dass der Steuerpflichtige sie nicht in zumutbarer Weise arbeitstäglich erreichen kann (Fahrtzeit für die einfache Strecke mehr als 1 Stunde; BFH, Urteil v. 16.11.2017; VI R 31/16, BFH/NV 218 S. 372), reicht es lt. Finanzverwaltung, dass der Hausstand mehr als 50 km von der ersten Tätigkeitsstätte entfernt ist (BMF, Schreiben v. 25.11.2020, IV C 5 – S 2353/19/10011:006, Rn. 102, BStBl 2020 I S. 1228).

Ein eigener Hausstand setzt folgende Merkmale voraus (R 9.11 Abs. 3 LStR 2015; H 9.11 Abs. 3, "Eigener Hausstand" LStH 2021):

  • Wohnung
  • Nutzungsrecht
  • Kostenbeteiligung
  • tatsächliche Haushaltsführung
  • Lebensmittelpunkt

Ob ein eigener Hausstand vorliegt, ist anhand der Gesamtumstände zu beurteilen. Einrichtung, Ausstattung, Größe und Abgeschlossenheit der Wohnung sind Aspekte, ebenso ob in der Wohnung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften möglich ist. Außerdem sind die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand zu prüfen.

Ein eigener Hausstand setzt eine eingerichtete, den Lebensbedürfnissen entsprechende (vollständige) abgeschlossene Wohnung voraus, die dem Arbeitnehmer gehört (Eigentümer), die er angemietet hat (Mieter) oder berechtigterweise (mit)nutzen kann (Nutzungsrecht) und die eine selbstbestimmte Haushaltsführung erlaubt (BFH, Urteil v. 28.3.2012, VI R 87/10, BFH/NV 2012 S. 1231).

Außerdem ist Voraussetzung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG), dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Haushaltsführung) erfolgt. Es genügt nicht, wenn z. B. der Arbeitnehmer im Haus der Eltern eine Wohnung unentgeltlich nutzen darf. Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung muss gegenüber dem Finanzamt dargelegt und kann auch bei volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung nicht unterstellt werden. Betragen die Barleistungen mehr als 10 % der monatlich regelmäßig anfallenden Kosten der Haushaltsführung (z. B. Miete, Kosten für Lebensmittel), ist eine ausreichende finanzielle Beteiligung gegeben. Liegen die Barleistungen darunter, muss die hinreichende finanzielle Beteiligung auf andere Art und Weise (z. B. Übernahme der Kosten für Heizöl) dargelegt werden. Bei Verheirateten bzw. in fester Partnerschaft lebenden Personen geht die Finanzverwaltung im Regelfall davon aus, dass am Familienwohnsitz ein eigener Hausstand mit finanzieller Beteiligung vorliegt (BMF, Schreiben v. 25.11.2020, IV C 5 – S 2353/19/10011:006, Rn. 101, BStBl 2020 I S. 1228).

 

Rz. 723

Weitere Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige in der Wohnung tatsächlich einen eigenständigen Haushalt führt. Er muss die Haushaltsführung durch seine Anwesenheit (bestimmte Anzahl von Fa...

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