Rz. 52

Die Angabepflichten zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden in § 284 Abs. 2 HGB stellen die vielleicht wichtigsten gesetzlichen Vorschriften zum Anhang dar, da der sachkundige Leser mit Hilfe dieser Angaben in die Lage versetzt werden soll, die Qualität des ausgewiesenen Vermögens, Eigenkapitals und Ergebnisses zutreffend abzuschätzen.

2.2.1 Angabe der Methoden

2.2.1.1 Bilanzierungsmethoden

 

Rz. 53

Nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben. Unter den Bilanzierungsmethoden, die im Gesetz nicht explizit definiert sind, versteht man allgemein die Entscheidung über die Verfahrensweisen zur Bilanzierung dem Grunde, der Art, dem Umfang und dem Zeitpunkt nach sowie über Gliederungsgrundsätze.[1] Soweit die Abbildungsregeln gesetzlich kodifiziert sind und keine Wahlrechtsmöglichkeiten zulassen, kann auf die Angabe im Anhang verzichtet werden;[2] dies folgt aus dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB). Daher besteht eine Angabepflicht nur dann, wenn Alternativen in der Bilanzierung bestehen, oder in Sonderfällen.[3]

 

Rz. 54

Derzeit enthält das HGB in folgenden Fällen Ansatzwahlrechte:

Aktivseite der Bilanz

 

Rz. 55

Passivseite der Bilanz

  • Pensionsrückstellungen für Altzusagen (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB);
  • Pensionsrückstellungen für mittelbare Pensionsverpflichtungen sowie für ähnliche unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB);
  • sowie die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes bestehenden Ansatzwahlrechte, für welche derzeit noch Übergangsregelungen (jedoch inzwischen mit praktisch vernachlässigenswerter materieller Bedeutung) gelten:

    • Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB a. F. i. V. m. Art. 67 Abs. 3 EGHGB),
    • Rückstellungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB a. F. i. V. m. Art. 67 Abs. 4 EGHGB).
 

Rz. 56

Unter den Begriff der Bilanzierungsmethoden fällt auch das nur durch die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoB) eingeschränkte planmäßige Vorgehen bei der Festlegung des Zeitpunkts der Bilanzierung.[6] Trotz der mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz aufgenommenen allgemeinen Regelung, dass die Vermögensgegenstände bei Auseinanderfallen von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sind, ist dennoch in Einzelfällen der Zeitpunkt, zu dem ein Vermögensgegenstand bzw. eine Schuld bilanziell zu erfassen ist, nicht immer im Rahmen der Beurteilung der GoB eindeutig geklärt. Daher müssen, um der Norm des § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu entsprechen, die Grundsätze angegeben werden, die erfüllt sein müssen, damit die Voraussetzungen für eine Bilanzierung vorliegen.[7]

 

Beispiele für die hierunter zu subsumierenden Fälle sind:[8]

  • Erfassung von Zugängen an Wertpapieren am Handels- oder Erfüllungstag ("Trade Date"- vs. "Settlement Date Accounting"-Methode),
  • Bilanzierung von Zulagen im Zeitpunkt der Erfüllung der "wirtschaftlichen Voraussetzungen" oder zum Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens des Anspruchs oder
  • Bilanzierung von unterwegs befindlicher Ware zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs oder zum Zeitpunkt des späteren Übergangs des rechtlichen Eigentums.
 

Rz. 57

Der Bilanzleser kann aus den Angaben zu den Bilanzierungswahlrechten für seine Beurteilung u. a. folgende Schlüsse ziehen:

Ein Unternehmen, das daran interessiert ist, seinen ausgewiesenen Gewinn zu reduzieren, wird i. d. R. von Aktivierungswahlrechten keinen Gebrauch machen; d. h., die unter Rz. 54 genannten Aktivposten entfallen, soweit nicht aus steuerlichen Gründen eine Aktivierung geboten ist. Ein solches Unternehmen wird aber tendenziell die unter Rz. 55 genannten Wahlrechte im Sinne einer Passivierung ausnutzen; dies gilt jedoch insbesondere dann, wenn auch steuerlich ein Passivierungsgebot bzw. Passivierungswahlrecht besteht.

Umgekehrt wird ein Unternehmen, das seinen ausgewiesenen Gewinn erhöhen möchte, alle Aktivierungswahlrechte wahrnehmen, einschließlich der rein handelsrechtlichen Aktivierungsmöglichkeiten. Andererseits ist bei einer solchen Bilanzstrategie zu erwarten, dass die vom Gesetz wahlweise eingeräumten Passivierungsmöglichkeiten nicht genutzt werden.

Allerdings bestehen auch weitere Einflussfaktoren, welche die Bilanzpolitik bestimmen.[9]

 

Rz. 57a

Sofern in Ausnahmefällen die Unternehmensfortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zum Abschlussstichtag nicht mehr aufrechterhalten werden kann (vgl. Rz. 110 zu den ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie) und dementsprechend die bislang angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nicht mehr beibehalten werden können, sind zum einen die Angaben in Bezug auf die Abweichungen von den bisher angewandten ...

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