Eine Amtshaftung für Rechtsfehler in der Rechtsprechungstätigkeit von Richtern ist in der deutschen Rechtsordnung nur unter sehr strengen Voraussetzungen vorgesehen.[1] Wegen des sog. Spruchrichterprivilegs[2] des § 839 Abs. 2 BGB kommt bei einem Urteil in einer Rechtssache ein Amtshaftungsanspruch nur in Betracht, wenn die (vorsätzlich begangene) Amtspflichtverletzung strafbar ist (Richterbestechlichkeit nach § 332 Abs. 2 StGB, Rechtsbeugung nach § 339 StGB).[3] Der Sinn des Spruchrichterprivilegs wird zum Teil im Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, überwiegend aber im Schutz der Rechtskraft staatlicher Urteile vor einer erneuten Sachprüfung gesehen.[4] Ansonsten müsste jedes Urteil, auf das sich der Schadenersatzanspruch stützt, inzident überprüft werden. Damit würde die richterliche Unabhängigkeit infrage gestellt.[5] Würden auch gerichtliche Urteile Amtshaftungsansprüche auslösen, so könnten diese in der Sache nicht rechtskräftig werden. Selbst wenn die formelle Rechtskraft eingetreten wäre, könnte die unterlegene Prozesspartei auf dem Umweg über einen Anspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG die gleiche Sache mit der Begründung erneut rechtshängig machen, der Richter habe bei seinem Urteil schuldhaft eine Amtspflicht verletzt.[6] In der Praxis spielt der Regressanspruch gegen einen Richter praktisch keine Rolle.[7] Etwas anderes gilt im Falle letztinstanzlicher Urteile bei einem richterlichen Verstoß gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.[8] Unter den Begriff des Urteils i. S. d. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB fallen alle gerichtlichen Entscheidungen, denen verfahrensbeendende Wirkung zukommt und die mit Rechtskraftwirkung ausgestattet sind.[9] Spruchrichter sind nicht nur Berufsrichter, sondern auch Beisitzer, Schöffen und sonstige ehrenamtliche Richter.[10]

[1] Dörr, Staatshaftung in Europa, 2014, S. 135.
[2] Zum Meinungsstreit Richterspruchprivileg vs. Spruchrichterprivileg: Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2014 S. 1276 ff. m. w. N.
[3] Detterbeck, Öffentliches Recht, 11. Aufl. 2018 Rz. 1021; Ahrens, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2018 Rz. 91.
[4] Ahrens, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2018 Rz. 91.
[5] Schmidt, Allgemeines Verwaltungsrecht, 21. Aufl. 2018 Rz. 1106; Tremml/Karger/Luber, Der Amtshaftungsprozess,4. Aufl. 2013 Rz. 200 ff.; Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 10 Rz. 36 ff.
[6] Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 2019 Rz. 1288.
[7] Herrmann, Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen, 2. Aufl. 2011, S. 75.
[8] Vgl. Tz. 5.3
[9] Vgl. Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 65; Kramarz, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 14. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 46; Staudinger, in Hk-BGB, 10. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 39.
[10] Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 64; vgl. Kramarz, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 14. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 47; Staudinger, in Hk-BGB, 10. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 37.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge