Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden in Rechtsprechung und Rechtslehre folgende Fallgruppen von Amtspflichten genannt:

Recht- bzw. gesetzmäßiges Verhalten

Als grundlegende Pflicht, aus der sich nahezu alle weiteren Amtspflichten ableiten lassen, besteht die Pflicht des Amtsträgers zu recht- bzw. gesetzmäßigem Verhalten[1], wie sie in Art. 20 Abs. 3 GG als Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verankert ist.[2] Amtsträger haben die Amtspflicht, sich bei der Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben stets im Rahmen der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften zu bewegen.[3] Sie dürfen ohne Rechtsgrundlage nicht in die Rechte des Bürgers eingreifen und insbesondere unbeteiligte Dritte durch die Amtsausübung nicht schädigen. Der Finanzverwaltung obliegt die Amtspflicht, bei Veranlagung, Erheben und Beitreiben von Steuern nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen tätig zu werden, gegenüber jedem, der von dem jeweiligen Vorgehen betroffen wird, insbesondere gegenüber dem Steuerschuldner.[4] Aus der Amtspflicht zu recht- bzw. gesetzmäßigem Verhalten ergibt sich für jeden Amtsträger auch die Pflicht, begangene Fehler zu beheben.[5] Als rechtswidrig erkannte Steuerbescheide sind zurückzunehmen, bevor der Steuerpflichtige Einspruch einlegt. Finanzkasse und Vollstreckungsstelle müssen intern unterrichtet werden, um unberechtigte Mahnungen und Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern.[6] Unberechtigte Insolvenzanträge sind zu unterlassen.[7] Ein Schadenersatzanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG kann begründet sein, wenn die Finanzbehörde den Insolvenzantrag unter eklatantem Verstoß gegen eine Vollstreckungsanweisung der OFD gestellt hat.[8] Zur Amtspflicht des recht- bzw. gesetzmäßigen Verhaltens gehört auch die Pflicht zur Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung[9] sowie von allgemeinen Dienst- und Verwaltungsvorschriften.[10] Die Pflicht zum rechtmäßigen Verhalten besteht auch dem Bürger gegenüber, der hinsichtlich des konkreten Sachverhalts und seiner rechtlichen Würdigung im Verhältnis zum Amtswalter über dasselbe oder sogar "überlegenes" Wissen verfügt.[11]

Erteilung richtiger und vollständiger Auskünfte

Die Auskunft, die der Amtsträger dem Bürger bzw. Steuerpflichtigen gibt (§ 89 Abs. 1, 2 AO), muss richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig erteilt werden.[12] Dies gilt auch, wenn er zur Erteilung nicht befugt oder fachlich ausgebildet ist.[13] Der Empfänger muss entsprechend disponieren können.[14] Dabei ist auf die erkennbare Interessenlage des Empfängers und auf seine Erkenntnismöglichkeiten bzw. den Empfängerhorizont abzustellen.[15] Auf bevorstehende Rechtsänderungen ist unaufgefordert hinzuweisen.[16]

Es sollen auch Erklärungen und Anträge angeregt werden, wenn diese unrichtig waren, versehentlich oder aus Unkenntnis nicht erfolgt sind. Die Regelung des § 89 AO wendet sich in erster Linie an nicht beratene Steuerpflichtige. Die Amtspflicht zur Beratung ist Ausdruck der Fürsorgepflicht, die der Finanzverwaltung gegenüber dem Steuerpflichtigen obliegt.[17] Die Beratungs- und Auskunftspflicht besteht in besonders schwierigen Fällen auch gegenüber dem Steuerberater. Sie hat jedoch Grenzen. Die Beratungspflicht der Finanzbehörde soll erst einsetzen, wenn das Versehen oder die Unkenntnis eines Steuerpflichtigen bzw. Steuerberaters offensichtlich ist.[18]

Im Zweifel muss der Amtsträger auf die Grenzen seiner Rechtskenntnisse hinweisen und den Bürger an einen sach- und rechtskundigen Amtsträger oder einen Steuerberater bzw. Rechtsanwalt verweisen.[19] Kann der Amtsträger nicht abschließend Auskunft erteilen, hat er auf den Vorbehalt seiner Auskunft hinzuweisen.[20]

Belehrungs- und Aufklärungspflichten

Wenn der Amtsträger erkennt oder erkennen muss, dass der Bürger Maßnahmen beabsichtigt, die für ihn nachteilige Folgen haben können oder zumindest mit dem Risiko des Eintritts solcher Folgen behaftet sind, trifft den Amtsträger im Einzelfall eine Belehrungs- und Aufklärungspflicht.[21] Daraus folgt aber nicht, dass der Amtsträger schlechthin zur Erteilung von Rechtsauskünften, der Berichtigung von Rechtsirrtümern oder zur Mitteilung über Veränderungen der Sach- und Rechtslage verpflichtet ist. Besondere Fachkenntnisse des Bürgers oder eines von ihm Beauftragen (z. B. Steuerberater oder Rechtsanwalt) sind zu berücksichtigen, sodass die Behörde im Einzelfall davon ausgehen darf, es bedürfe keiner weiteren Aufklärung.[22] Allerdings gilt im Amtshaftungsrecht der Grundsatz, dass der Bürger nicht klüger zu sein braucht als die mit der Bearbeitung der Angelegenheit betrauten fachkundigen Beamten.[23]

Einhaltung von Zuständigkeits-, Form- und Verfahrensvorschriften

Behördliches Handeln ist nur dann rechtmäßig, wenn es neben den materiellen auch den formellen Anforderungen entspricht. Der Amtsträger hat sich an Zuständigkeits-, Form- und Verfahrensvorschriften zu halten.[24] Auch diese Amtspflicht ist eine besondere Ausprägung der Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten.

Vom Amtsträger ist die ört...

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