Eine Durchgriffshaftung kommt weiter in Betracht, wenn das Eigenkapital der AG von vornherein nicht im angemessenen Verhältnis zur Geschäftstätigkeit steht (materielle Unterkapitalisierung). Dabei muss den Aktionären bewusst sein, dass das Eigenkapital der AG für die Geschäftstätigkeit offensichtlich nicht ausreichen wird (subjektives Element). Die Krise muss praktisch vorprogrammiert sein.[1]

Wegen dieses subjektiven Elements werden Fälle der materiellen Unterkapitalisierung in der Praxis regelmäßig über § 826 BGB gelöst, sodass es keines Rückgriffs auf die Durchgriffshaftung bedarf.[2] Denn vom subjektiven Element bei der Unterkapitalisierung zum Schädigungsvorsatz ist es nur ein kleiner Schritt: Für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes i. S. v. § 826 BGB genügt es, dass der Gesellschafter die Möglichkeit einer Schädigung erkannt und sie für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz).

 
Hinweis

Nominelle Unterkapitalisierung

Vom Problem der materiellen Unterkapitalisierung zu unterscheiden sind die Fälle, bei denen der Kapitalbedarf zwar von den Aktionären gedeckt wird, z. B. durch Gesellschafterdarlehen, jedoch die Art und Weise der Kapitalausstattung rechtlich beanstandet wird (nominelle Unterkapitalisierung).[3] Diese Fälle werden dadurch gelöst, dass die als Fremdkapital zugeführten Mittel in Eigenkapital umqualifiziert werden mit der Folge, dass die Aktionäre die Mittel nicht mehr ohne Weiteres abziehen können.

[1] Vgl. Heider, in MüKo-AktG, § 1 Rn. 77.
[2] Zurückhaltend bzgl. der Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung auch BGH, Urteil v. 28.4.2008, II ZR 264/06, BGHZ 176 S. 204 ("GAMMA"); Über § 826 BGB hat der BGH etwa folgenden Fall gelöst: Eine KG mit Kommanditeinlagen von insgesamt 10.000 DM und Stammkapital der Komplementär-GmbH von 20.000 DM errichtete 41 Eigentumswohnungen zum Festpreis von 2.050.000 DM (BGH, Urteil v. 30.11.1978, II ZR 204/76, NJW 1979 S. 2104).
[3] Fock, in Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 60; Heider, in MüKo-AktG, § 1 Rn. 76.

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