Leitsatz

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von gemäß § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheiden.

 

Normenkette

§ 27 Abs. 19 UStG

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine GmbH, liefert und verlegt u.a. Estrich, Parkett, Laminat und Teppichboden. Die an andere Unternehmer (u.a. an Bauträger) erbrachten Leistungen rechnete die Antragstellerin jeweils ohne Umsatzsteuer ab. Die betreffenden Rechnungen der Antragstellerin enthielten den Hinweis darauf, dass nach § 13b UStG in der bis zum 30.9.2014 geltenden Fassung (a.F.) der Auftraggeber die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % schulde.

Nach Ergehen der bezeichneten BFH-Entscheidung machten die Bauträger, an die die Antragstellerin Leistungen erbracht hatte, Steuererstattungsansprüche geltend. Sie sind der Ansicht, keine Steuerschuldner i.S.d. § 13b UStG a.F. zu sein.

Das FA erließ daraufhin gegenüber der Antragstellerin Umsatzsteuer-Änderungsbescheide und erhöhte ihr gegenüber die Umsatzsteuer entsprechend.

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

Das FG gab dem AdV-Antrag statt (FG Münster, Urteil vom 21.9.2015, 5 V 2152/15 U, Haufe-Index 8732149, EFG 2015, 2129). Es sei zweifelhaft, ob die den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO – dessen Voraussetzungen nach summarischer Prüfung im Streitfall insoweit vorlägen – suspendierende Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG verfassungsrechtlichen Grundsätzen genüge.

 

Entscheidung

Der BFH wies die vom FG gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassene Beschwerde als unbegründet zurück.

Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG stelle eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des V. Senats des BFH in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 dar. Sie diene der Regelung der Fälle, in denen sich Bauträger auf das vorgenannte BFH-Urteil berufen und die Erstattung der entrichteten Umsatzsteuer beantragen.

§ 27 Abs. 19 Sätze 1 und 2 UStG lauten:

"Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 der Abgabenordnung steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen."

Ob § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben genügt, soweit er den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO ausschließt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und – wie der BFH im Einzelnen darlegte – in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Angesichts dessen war die beantragte AdV zu gewähren. Denn wenn – wie hier – die Rechtslage nicht eindeutig ist, kann nach ständiger Rechtsprechung über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren entschieden werden. Die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Anmerkung: Die Senate des BFH entscheiden über Revisionen (im Hauptsacheverfahren) in der Besetzung von fünf Richtern, bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung – wie hier – dagegen in der Besetzung von (nur) drei Richtern (§ 10 Abs. 3 FGO).

 

Hinweis

Der V. Senat des BFH hat im August 2013 zur Steuerschuldnerschaft bei sog. "Bauleistungen" entschieden, dass die Anwendung des UStG § 13b a.F. auf solche bauwerksbezogene Leistungen zu beschränken sei, die der Leistungsempfänger seinerseits zur Erbringung eigener bauwerksbezogener Leistungen verwendet habe – sodass der ein eigenes Grundstück bebauende Bau­träger keine bauwerksbezogene Leistung erbringe, die zur Anwendung des § 13b UStG a.F. führe (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, BFH/PR 2014, 130).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 17.12.2015 – XI B 84/15

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