Leitsatz

1. Schulgeldzahlungen an eine EU/EWR-Schule sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des JStG 2009 abziehbar, wenn die Schule den Status einer genehmigten Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule bei Belegenheit im Inland hätte erhalten können.

2. Schulgeldzahlungen an ausländische Hochschulen, Fachhochschulen oder staatliche Schulen erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 52 Abs. 24b EStG i.d.F. des JStG 2009.

3. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG setzt nicht voraus, dass die Eltern selbst Vertragspartner des mit der Privatschule abgeschlossenen Vertrags sind.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. vor dem JStG 2009, § 52 Abs. 24b EStG i.d.F. des JStG 2009

 

Sachverhalt

Die Tochter des Klägers besuchte im Jahr 2000 in den Niederlanden die Hogeschool voor de kunsten. Den Sonderausgabenabzug für das vom Kläger gezahlte Kolleggeld nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. lehnte das FA wegen Belegenheit der Schule im Ausland ab. Hierin sah der Kläger einen Verstoß gegen das Unionsrecht. Das FG gab der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 24.11.2008, 5 K 6417/04, Haufe-Index 2182268, EFG 2009, 1204). Zur Begründung führte es aus, § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gelte auch für Hochschulen und Fachhochschulen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH (BFH, Urteil vom 17.7.2008, X R 62/04, BFH/NV 2008, 1927, BStBl II 2008, 976) sei auch die Studiengebühr für eine niederländische Kunsthochschule abziehbar. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich bei der Kunsthochschule um eine öffentliche oder um eine private Hochschule handele; es sei vielmehr maßgebend, dass die dort angebotenen Studiengänge zu allgemein anerkannten Studienabschlüssen führten.

 

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG müsse im zweiten Rechtsgang die Prüfung nachholen, ob die Hogeschool bei unterstellter Belegenheit im Inland die Voraussetzungen einer genehmigten Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule erfüllt hätte bzw. ob im Streitfall ggf. die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 24b EStG n.F. erfüllt gewesen seien.

 

Hinweis

Um der EuGH-Rechtsprechung (Urteile vom 11.9.2007, C-76/05 – Schwarz und Gootjes-Schwarz – Slg. 2007, I-6849 und C-318/05 – Kommission/Deutschland – Slg. 2007, I-6957) zu entsprechen, wurde der Schulgeldabzug durch das JStG 2009 ab 2008 neu geregelt. Nunmehr ist nicht mehr der Status der Schule als genehmigte oder erlaubte Ersatz- oder als anerkannte Ergänzungsschule für die Abziehbarkeit des Schulgeldes entscheidend, sondern der von ihr vermittelte Abschluss. Das gilt auch für die in der EU oder dem EWR belegenen Bildungseinrichtungen.

Im Besprechungsfall handelt sich zwar um einen Sachverhalt, der vor 2008 verwirklich wurde. Aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 24b EStG n.F. ist die Neuregelung für EU/EWR-Schulen – nicht aber für inländische Schulen (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2011, X R 48/09, BFH/NV 2012, 317, BFH/PR 2012, 84) – auch auf alle noch offenen Veranlagungen anwendbar.

Damit konnte der BFH zum ersten Mal zu den inhaltlichen Fragen der Neuregelung des Sonderausgabenabzugs von Schulgeldzahlungen – nicht nur an inländische Schulen – Stellung nehmen. Wichtig sind dabei die folgenden Aussagen:

1. Handelt es sich bei der EU/EWR-Bildungseinrichtung um eine (Fach-)Hochschule im schulrechtlichen Sinn, ist der Sonderausgabenabzug zu versagen, da sowohl § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG n.F. als auch die Übergangsregelung des § 52 Abs. 24b EStG n.F. ausdrücklich nur den Begriff "Schule" verwenden. Der Abzug von (Fach-)Hochschulgebühren ist damit auch nach der Neuregelung nicht möglich.

2. Lediglich Schulgeldzahlungen an Schulen in freier Trägerschaft oder an überwiegend privat finanzierte Schulen können als Sonderausgaben abgezogen werden. Eine Ausweitung auf staatliche Schulen ist gemeinschaftsrechtlich nicht geboten.

3. Bei dem durch die EU/EWR-Bildungseinrichtung vermittelten Abschluss muss es sich um einen von der zuständigen Kultusbehörde anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss handeln. Die Prüfung und Feststellung der schulrechtlichen Kriterien obliegt allein der zuständigen inländischen Kultusbehörde. An das Ergebnis dieser Prüfung sind die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsbarkeit ebenso gebunden, wie sie es bei der früheren Rechtslage waren.

4. Bedeutsam ist die Aussage des BFH, die für alle Privatschulen gilt: Es ist für den Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht zwingend erforderlich, dass die Eltern und Unterhaltsverpflichteten selbst Vertragspartner des mit der Privatschule abgeschlossenen Vertrags werden (vgl. auch OFD Münster, Verfügung. vom 5.11.2010, StEK, § 10 Abs. 1 Ziff. 9 n.F., Nr. 17).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.11.2011 – X R 24/09

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